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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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die einstmals gute Optik eben nachgelassen hat. Falten,
Krähenfüße. Ich rede jetzt nicht von den Fältchen um die Augen, die vom Lachen
kommen! Nein, von diesen Verrätern um den Mund und vom Hüft- und Bauchspeck, wo
doch eigentlich Po und Oberschenkel die erklärten Feinde waren. Du bist ein
Mann. Du kennst das doch: Männer werden reif, Frauen überreif wie faule
Aprikosen. Ich habe keinen Bock drauf, mich nur noch über meine inneren Werte
und meinen wachen Geist zu verkaufen. Scheiße!«
    »Und deshalb der
Ausschnitt?«
    »Auch!«
    Gerhard sah erst sie
an und dann den Ausschnitt. Dann sah er auf die Uhr. Es war zehn vor zwölf.
»Komm, lassen wir das. Es ist gleich zwölf. Stoßen wir an. Auf das neue Jahr.
Darauf, dass du hier bist. Ich freue mich. Ehrlich!« Das war ein
Friedensangebot. Jo beugte sich hinüber und küsste ihn. Langsam, fordernd.
Gerhard schloss die Augen – und dann fiel ihm die Mittelalter-Fee ein.
    Es wurde
Mitternacht, Raketen schossen von der Straße in den Himmel. Der Ouzo floss in
Strömen. Gerhard erinnerte sich, dass er mal neunzehnjährig mit Kumpels in
Südfrankreich gewesen war. Die Kumpels, der gute alte Qualmi und der Polde, die
er beide völlig aus den Augen verloren hatte, ertränkten ihn in Pernod. Das war
Gerhards erste Alkoholvergiftung gewesen, aber die Zeit hatte auch diese Wunde
geheilt. So schlecht schmeckte das Ouzo-Zeug ja nicht. Nach dem vierten wurde
er besser und besser. Gerhard trank und hatte Jo mal wieder aus den Augen
verloren. Jemand haute ihm auf die Schulter.
    »Na, hübsch ist sie
ja, deine Jo, eifersüchtig darf man da nicht sein. Aber du bist a Hund!«
    Gerhard nickte. Was
immer ihm das sagen sollte, es klang aufmunternd. Brauchte er Aufmunterung? Er
brauchte vor allem Schlaf. Den er sich nahm. Er registrierte noch, dass Jo wohl
versuchte ihn zu wecken, aber er war unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen.
Er konnte grunzen, mehr nicht. In irgendeinem Hirnbereich merkte er auch, dass
Jo sauer war.
    Gerhard erwachte,
als sein Handy klingelte. Er lag auf einer Sitzbank. Mühsam richtete er sich
auf. Zwar hatte sich das Fest merklich ausgedünnt, aber es waren noch genug
Leute da. Griechische Musik heulte, Gerhard sah zur Uhr. Es war kurz vor
sieben! Er klemmte sich das Handy ans Ohr. Es war Baier.
    »Weinzirl, trau es
mich kaum zu sagen.«
    »Lassen Sie mich
raten. Ein Toter?«
    Gerhard war
schlagartig wach. Er schwang die Beine unter den Tisch. Aua! Sein Schädel, das
war zu schnell gewesen.
    »Ja, leider.«
    »Ungefähr so alt wie
unsere anderen Herren?«
    »Ja, leider!«
    »Wo?«
    »Die Beschreibung
lautete: Der Mann hängt wie ein Sack überm Reiselsberger.«
    »Aha! Ich habe es
geahnt. Die touristische Führung zu den Schönheiten des Oberlands geht weiter.
Der Reiselsberger? Ein Berg? Ein Hof? Herr Baier, zu welchen Ufern brechen wir
jetzt wieder auf?«
    »Ufer nicht direkt.
Diesmal auch kein Wald. Die Leiche befindet sich zwischen der Berghof-Siedlung
und dem Guggenberg. Beim Süßbauern gibt es einen Sandsteinblock, der
Reiselsberger Sandstein heißt.«
    »Und das ist wo?«
    »Peißenberg.
Peißenberg, so wie es keiner kennt.« Baier klang wie aus der Tourismus-Werbung.
    »Können Sie in
zwanzig Minuten hier sein? Warte am Gasthof Post. Steh schon da.«
    »Ähm, auch in fünf
Minuten.«
    »Von Tankenrain?«
    »Ähm, ich bin noch
bei Toni.«
    »Gut eingelebt, was
Weinzirl? Haben Sie die Rote Zora unterhalten?« Baier lachte. Mensch, Baier,
nicht so laut, dachte Gerhard.
    »Baier! Nicht doch!
Meine, äh, Partnerin ist hier.«
    »Ach so, ich störe
da nur ungern.«
    »Oh, keine Sorge.
Die amüsiert sich blendend. Sie ist durchaus in der Lage, sich ohne mich zu
beschäftigen, zumal die Breitling was von einem Kraken hat, sie aber eher das
Blauauge im Visier hat. Sie beschäftigt sich«, beteuerte Gerhard und merkte,
dass er viel zu privat geworden war.
    »Ich hole Sie ab,
lassen Sie sich einen Kaffee machen, viel Kaffee, starken Kaffee. Griechischen
Kaffee, sodass der Löffel stehen bleibt.«
    Gerhard befolgte den
Rat. Weil der Koch längst weg und Toni in eine Dame verhakt war, machte ihm die
Rote Zora den Kaffee. Als er sich bückte, um die Schuhe zuzumachen, wurde ihm
schwindlig. Und übel! Er ächzte.
    »Haarspitzenkatarrh«,
kam es von irgendwo her, gefolgt von polterndem Lachen. Wieso waren die alle so
wach und gut drauf? Die mussten einen anderen Eichstrich bei der Medizin haben
als er. Auch Jo wirkte noch recht frisch, die Locken hatten sich

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