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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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solch einen friedvollen Platz? Am ersten Januar, wo der Mensch
ein Recht hat auf Katerstimmung. Aber doch nicht so.«
    Gerhard drehte den
Ochsen in seinen Fingern. Er war speckig, kein schönes Stück. Nichts gegen all
die Kunstwerke, die er in letzter Zeit gesehen hatte. All die Madonnen, mal
stupsnasig, mal markant. Die wunderschön lebendigen Tiere bei Kölbl – und auf
einmal drängte ein Bild machtvoll heran.
    »Kölbl hatte auch so
was! Einen Schlüsselanhänger mit einem Lamm!«, rief er.
    »Sicher, war
Schnitzer, der Kölbl.« Baier war durch Gerhards Aufschrei wohl aus irgendeiner
anderen Welt herausgerissen worden. Wahrscheinlich heiße Bräute und kühler Rum
in Kuba.
    »Ja, eben! Herr
Baier. Sie haben gesehen, was bei dem zu Hause an Figuren gestanden ist.
Kunstwerke. Und dann dieses angeschmutzte Lamm als Schlüsselanhänger. Das
schnitzt ja mein Neffe besser.«
    Baier war jetzt
wieder in Peißenberg gelandet. Er war auf einmal hellwach und beäugte den
Ochsen »Der sieht auch aus, als habe ihn ein Kind geschnitzt. Ich hab so was
auch schon mal gesehen, einen Esel.«
    Gerhard fuchtelte
mit dem Ochsen umher. »Und wir beide wissen, wo?«
    »Pack mers!« Baier
gab der Streife Anweisungen, informierte Erkennungsdienst und seinen Professor
Stahlmischer und schoss mit dem Auto richtiggehend los. Baier folgte der Straße
hinauf zur Berghofsiedlung, wo das Neujahrsleben erwacht war. Einige Kinder
rutschten mit Plastikwannen auf dem spärlichen Schnee herum, zwei Buben hatten
noch letzte Knallfrösche, die über den Boden furzten. Einer zündete einen
Kanonenschlag. Bumm! Gerhards malträtierter Kopf schrie auf.
    »So, jetzt ist man
wach am Berghof«, sagte Baier lakonisch.
    Gerhard schickte
einen Blick in die Ammergauer Alpen. Der Himmel malte ein kühnes Gemälde. Die
Sonne beleuchtete die Gipfel, ein orangefarbenes Licht umgab ihre Häupter. Auf
halber Höhe der schneebedeckten Hänge wand sich ein Wolkenband entlang, es sah
aus wie ein gewaltiger grauer Drache, der darauf lauert zuzuschlagen. Aus
Norden schoben sich dunkle Wolken heran und kämpften mit dem hellen Orange. Wer
würde wohl gewinnen? Die dunkle Seite, dachte Gerhard. Baier fuhr über einen
Hügel, und nun kletterte die Straße hinunter zur Ammer, die sich träge und
braun dahinwälzte. Roßlaichbrücke, Polling, neue Namen und Routen für Gerhard.
Gefiel ihm, auch weil es bereits in Polling wieder eine einladende Wirtschaft
mit Biergarten gab. Im Sommer muss das eine Traumgegend sein, dachte er noch.
Wollte er denn bleiben? Als sie aus Polling rausfuhren, war der Schnee
plötzlich weg. Das schien Baier auch aufgefallen zu sein.
    »Weilheim liegt auf
der Hölle«, sagte er und deutete hinaus auf die braunen Felder.
    Als sie auf der
Inspektion angekommen waren, stürzten sie sich beide sofort in die
Asservatenkammer.
    »Wo sind die Sachen
von Johann Draxl?«, ranzte Baier einen Kollegen an. »Zügig, her damit,
Herrschaft Zeiten.«
    Und dann lagen sie
ausgebreitet vor ihnen: die Geologenausrüstung, der Flachmann, Handschuhe und
ein Schlüsselbund mit einem kleinen abgewetzten Esel. Ziemlich ungelenk
geschnitzt, wie von Kinderhand.
    »Ochs, Esel, Lamm …«
Baiers Worte verklangen.
    »Ich habe eine
Idee«, sagte Gerhard. »Müssen wir das LKA anrufen, oder kann ich auch eine Kollegin bitten, uns zu helfen?«
    »Weiß nicht, was Sie
vorhaben, Weinzirl. Aber die Wichser vom LKA haben doch eh nie Zeit. Machen Sie, Weinzirl.«
    Gerhard hatte sein
Handy gegriffen und tippte auf eine eingespeicherte Nummer. Hoffentlich war sie
da. Die Stimme meldete sich, und eine Woge von Zärtlichkeit überflutete ihn,
als er das charmante Fränkisch vernahm.
    »Ciao, cara bella ,
ich hatte gehofft, dass du erreichbar bist.« Er nahm die ersten Beschimpfungen
wie »treulose Tomate« klaglos hin, und zum ersten Mal hatte er Heimweh.
    » Bella, carissima ,
du bist die Einzige, die an einem ersten Januar, wo ganz Deutschland verkatert
vor dem Neujahrskonzert liegt, herausfinden kann, was drei ältere Männer
verbindet.«
    Er lauschte.
    »Ja, du ebenso
kluges wie schönes Wesen, es handelt sich um tote Männer.« Plötzlich fiel ihm
etwas ein. »Bist du überhaupt zu Hause, oder bräunst du irgendwo deinen
Luxuskörper?«
    Sie war im Büro,
Akten aufarbeiten, das konnte man an grabesstillen Feiertagen einfach besser.
Das war seine Evi.
    » Bella !« Er
setzte sie über die drei Männer ins Bild, gab ihr einen kurzen Abriss der
Todesfälle, erzählte von den

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