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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ein Ritual zeigen?‹ ›Wieso ein
Ritual?‹, fragte Elkshoulder. ›Ist jemand krank und braucht Hilfe?‹, fragte er
leise. Betroffene Stille. Sehen Sie, Rituale führt man nicht willkürlich oder
einfach so zum Zeitvertreib oder zur Unterhaltung durch!«
    Gerhard sah sie
nachdenklich an und kraulte Holbein. »Ich denke, ich verstehe ganz gut, was Sie
mir damit sagen wollen, aber was hat das in Ihnen im Hinblick auf Ihre
zukünftige Arbeit ausgelöst?«
    Sie lachte trocken.
»Im ersten Moment wollte ich alles hinwerfen. Dann hab ich mich besoffen«, sie
prostete Gerhard zu und füllte ihre Gläser erneut. »Dann wollte ich nach
Albuquerque reisen, dort, wo indianisches Wissen ganz nah ist. Ja, und dann hab
ich angefangen, wirklich nachzudenken. Und etwas gelernt: Man kann
Medizinsysteme nicht einfach verpflanzen. Wer heilen will, muss sich innerhalb
der eigenen Kulturgeschichte bewegen, das Wissen der Kelten und Germanen
nutzen. Heilen ist doch kein SB -Laden,
ein Tag Ayurveda, ein Tag Thalasso und so weiter. Schließlich sind wir
Europäer. Ein Ayurveda-Tag in Oberbayern ist doch ein Witz. Ayurveda spiegelt
drei Zustände und drei Jahreszeiten in der indischen Natur wider, wir aber
haben vier Jahreszeiten. Da fängt es doch schon an! Wir importieren fremdes
Wissen wie T-Shirts made in Taiwan, die wir bei Kik für drei Euro kaufen.«
    »Also kein Ayurveda
und keine Rituale bei Frau Kassandra?«
    »Nein, ich sage ja,
der Mittelweg. Ich mach ein bisschen Brimborium um meine Person, finde schöne
Worte, aber am Ende halte ich mich an das Urwissen der Kelten, deren Wissen um
Orte der Kraft, deren Verbindung ins Jenseits, deren Glauben an
Wasserheiligtümer und Kräuter, das ist irgendwo noch in uns drin. Die Magie der
Edelsteine, das Wissen der Hildegard von Bingen – das ist unser tradiertes
Wissen. Das setze ich um.«
    »Und da gehören
diese Raunächte auch dazu?«
    »Sehen Sie, Herr
Weinzirl, die Kelten und das keltische Erbe interessieren mich wirklich. Die
vorchristliche Zeit ist ein Füllhorn, und die Zeit der Sonnwende hat die
Menschen immer schon beeindruckt. Nennen Sie es Magie oder Aberglauben.«
    »Sie meinen also
auch als Anastasia Tafertshofer, nicht bloß als Frau Kassandra, dass mir die
Orte, an denen die Toten lagen, etwas sagen müssten?« Gerhard sah sie
interessiert und offen an.
    »Herr Weinzirl, Sie
scheinen mir nicht der Typ zu sein, der einen Hang zum Übernatürlichen hat.
Andererseits haben Sie mein Beispiel mit dieser albernen Konferenz verstanden,
oder? Na ja, Sie sind ein Mann. Männer haben meist weniger Sensoren für zweite
und dritte Ebenen unter oder über dem Greifbaren. Aber ich glaube, Sie sind gar
nicht so unsensibel, wie Sie sich inszenieren.«
    »Danke für die
Sensibilität und dafür, dass Sie mich als Mann bezeichnen.« Gerhard lachte.
    »O ja, durchaus, und
nicht der hässlichste!« Sie lächelte hintergründig. »Ich weiß nicht, ob Sie
schon mal in Irland waren? Da stehen frühchristliche Kirchen immer auf Plätzen,
die keltische Kultorte waren. Der Rock of Cashel, Armagh in Nordirland, der
süße Hügel. Es war stets so, dass christlicher Bombast die Macht der Kelten
durchbrechen und übertünchen sollte.«
    »Sie meinen also,
die Plätze und die Zeit waren mit Bedacht gewählt?«
    »Das denke ich
schon! Die Eibe, der Döttenbichl, der Stein am Ganghofer Hof. Ja, jetzt schauen
Sie nicht so, ich lese das Tagblatt, nicht bloß Esotera. Da stand das drin mit
dem Stein.«
    »Recht und schön.
Vielleicht hat unser Mörder das so arrangiert. Aber das versteht außer ihm doch
keiner.«
    »Ich weiß nicht, ob
die Opfer damit etwas anfangen konnten, aber ich denke, der Mörder schon. Er
hat so gewählt. Vielleicht hat ihm das auch gereicht. Vielleicht ist es
unwichtig für ihn, verstanden zu werden.«
    »Wollen wir nicht
alle verstanden werden?« Gerhard wunderte sich, noch bevor er geendet hatte,
über diesen Satz aus seinem Mund. Das war ja wirklich kryptisch.
    Und genauso
kryptisch antwortete sein Gegenüber: »Vielleicht wurde er nie verstanden. Man
gewöhnt sich an den Zustand.« Sie seufzte.
    »Anastasia«, Gerhard
ließ das Tafertshofer jetzt mal weg, »was würden Sie sagen, wenn Sie wüssten,
dass der dritte Tote ein Eichenblatt und einen Mistelzweig auf der Brust
hatte?«
    »Oh! Das ist
interessant.« Sie lehnte sich zurück und deklamierte: »Die Druiden halten
nichts heiliger als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sofern er eine
Eiche ist. Das stammt

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