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Weiskerns Nachlass

Weiskerns Nachlass

Titel: Weiskerns Nachlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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verfolgen, das sind wir der Seriosität unseres Hauses schuldig. Herr Stolzenburg, sind Sie noch am Apparat?«
    »Ja, ich bin nur etwas durcheinander. Wenn das Gutachten eine Fälschung ist, dann wollte er Geld von mir haben für Dokumente, die dem Dorotheum nie vorlagen?«
    »Sie sagen es. Vermutlich wird sich in diesen Tagen die Kriminalpolizei bei Ihnen melden. Wie gesagt, wir sehen in Ihnen keinen Täter, vielmehr das potentielle Opfer. Sie sollten sich mit Herrn Aberte verabreden und uns darüber informieren. Falls Sie ein Treffen mit dem Herrn vereinbaren können, wäre das wundervoll. Die Polizei könnte den Herrn bei der Gelegenheit festnehmen.«
    »Aber Sie haben seine E-Mail-Adresse und können doch den Absender weiterverfolgen.«
    »Ja, und die Wiener Polizei hat sich überaus hilfsbereit gezeigt, der Fall bekam Priorität, es arbeiten vier Beamte daran, ihn aufzuklären. Der Server, wurde uns mitgeteilt, führt nach Moskau, von dort geht es weiter nach Oslo und dann nach Tirana. Die Polizei vermutet noch weitere Internet-Stationen und hält es für nahezu aussichtslos, über diese Adresse an diesen Herrn Aberte heranzukommen. Ein persönliches Treffen mit Ihnen, das wäre für alle am besten. Die Polizei, wie gesagt, wird sich bei Ihnen melden. Das alles sage ich Ihnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit und mit der Bitte um absolute Vertraulichkeit. Ich informiere Sie im Voraus, weil ich davon überzeugt bin, dass Sie nichts mit dieser Fälschung zu tun haben.«
    »Magister Krebs, ich bitte Sie, ich hätte Ihnen doch anderenfalls nie dieses Gutachten geschickt. Warum sollte ich einem Auktionshaus ein gefälschtes Gutachten von ebendiesem Auktionshaus schicken?«
    »Seien Sie unbesorgt, Herr Stolzenburg, ich bin der gleichen Meinung, und unser Justiziar sieht das genauso. Wir müssen wissen, wer dieser Herrn Aberte ist, was er so alles tut und vorhat, unbedingt. Ich bitte Sie, halten Sie mit diesem Herrn Kontakt, versuchen Sie ein Treffen zu vereinbaren. Er will Geld von Ihnen, ich denke, wenn Sie ihm Geld versprechen, wird er sich darauf einlassen.«
    »Ich habe nicht so viel Geld. Und ich kann schon gar nicht eine solche Summe …«
    »Natürlich, natürlich, und das sollen Sie auch nicht. Bemühen Sie sich um ein Treffen, versprechen Sie ihm, das Geld mitzubringen, und geben Sie uns dann unverzüglich Bescheid. Alles Weitere regeln wir, und Sie werden, falls Sie überhaupt zu diesem Treffen gehen müssen, von uns auch mit dem notwendigen Geld ausgestattet. Sie sollen sich lediglich mit ihm verabreden, für den Rest sorgen wir und die Polizei. Einverstanden, Herr Stolzenburg?«
    »Das klingt nach einer Räuberpistole.«
    »Ja, durchaus, es ist eine Räuberpistole, allerdings für Sie völlig ungefährlich. Bitte, helfen Sie uns, Herr Stolzenburg. Denken Sie daran, dass dieser Mann Sie um einige Tausend Euro erleichtern wollte. Es ist auch in Ihrem Interesse. Bitte, Herr Stolzenburg.«
    »Einverstanden, ich versuche es.«
    »Wunderbar. Und rufen Sie mich umgehend an, wenn Sie etwas erreicht haben.«
    Stolzenburg lacht auf, nachdem er den Hörer zurückgelegt hat. Die Weiskern-Briefe scheinen ein Phantom zu sein. Ein Betrüger wollte ihm fünfzehntausend Euro für nicht existierende Briefe abnehmen. Vermutlich hätte er ihm Fälschungen übergeben und wäre dann spurlos verschwunden, Fälschungen, die er dann hoffentlich als solche erkannt hätte, denn sonst hätte er sich, im Fall einer Veröffentlichung, grauenvoll blamiert. Er wäre zueiner Witzfigur geworden, von der kein seriöses Blatt, kein Wissenschaftsverlag mehr auch nur einen Aufsatz publizieren würde. Und er wäre bis über beide Ohren verschuldet für ein Bündel nutzlosen, lächerlichen Altpapiers. Er fühlt, wie ihm heiß wird, die Hände sind feucht, er atmet tief durch und ist erleichtert, dass er sich vor vierzehn Tagen entschlossen hatte, in Wien anzurufen, im Auktionshaus.
    Doch wie war dieser Aberte auf ihn gekommen? Vielleicht hat er sich auf diese Nummer spezialisiert, sucht sich im Internet Personen heraus, die irgendeinen ungewöhnlichen oder auffälligen Forschungsgegenstand haben, macht sich kundig und bastelt dann sein betrügerisches Angebot zusammen. Er hat zu diesem Zweck bei einem Trödler uralte Briefe aufgekauft, die er für seine Angebote benutzt, alte Handschriften, die nur alt sind, aber bedeutungslos. Oder er fertigt täuschend ähnliche Kopien an, für die er sich Vorlagen in ehrwürdigen und angesehenen Archiven

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