Weiskerns Nachlass
achtzehn Uhr ein Treffen möglich sei. Er möge ihm in den nächsten vierzig Stunden mitteilen, ob ihm der Termin passe, in diesem Fall würde er die Weiskern-Briefe mitnehmen. Stolzenburg solle ihm zusätzlich seine Handy-Nummer zukommen lassen, damit sie sich kurzfristig verabreden könnten. Eine Barzahlung, schreibt er zum Schluss, wäre ihm viel lieber, da er andernfalls seine Buchhaltung zuvor mit einer aufwendigen Bonitätsprüfung beauftragen müsse. Eine ordnungsgemäße und finanzrechtlich korrekte Rechnung werde er mitbringen, so dass Stolzenburg seinerseits abgesichert sei.
Wieder hat er keine Adresse angegeben und auch keine Telefonnummer, was ungewöhnlich war, wenn er sich in ein paar Tagen mit ihm verabreden wolle. Er leitet Abertes E-Mail an Magister Krebs weiter und versucht, ihn am nächsten Morgen in Wien zu sprechen, doch eine Frauenstimme erklärt, der Magister sei nichtim Hause und nur donnerstags im Dorotheum zu erreichen. Bevor sie auflegen kann, sagt er rasch, er brüllt es fast, dass er nicht bis Donnerstag warten könne, es sei ein dringlicher Fall, der für Krebs und das Auktionshaus von großer Bedeutung sei. Der Magister müsse sofort über etwas Wichtiges informiert werden, er brauche eine Telefonnummer, unter der er Krebs erreichen oder ihm etwas mitteilen könne, er müsse ihn dringend sprechen. Die Frau fragt ihn nach seiner Telefonnummer und verspricht, sich darum zu kümmern. Drei Stunden später ruft Krebs an, er hat die E-Mail von Aberte gelesen, bittet ihn, dem Treffen zuzustimmen, und verspricht ihm, er werde keinerlei Kosten oder Unbill haben, die Kriminalpolizei in Wien spreche alles mit ihren sächsischen Kollegen ab, die meldeten sich dann bei ihm. Da Stolzenburg zögert, sagt Krebs, es wäre auch für ihn vorteilhaft, die Sache aufzuklären, schließlich habe dieser Herr es auf sein Geld abgesehen, und im Auktionshaus sei er, Krebs, der Einzige, der davon überzeugt ist, dass Stolzenburg nichts mit der Fälschung zu tun habe.
Stolzenburg willigt schließlich ein. Nach dem Telefonat teilt er Aberte mit, er erwarte ihn am Freitag. Er habe zwar am Nachmittag des Vierzehnten ein Seminar, werde aber alles arrangieren, um zum Treffen zu kommen. Unter seinen Namen schreibt er seine Handynummer und bittet nochmals um diejenige von Aberte. Ihm ist unwohl, als er die E-Mail abschickt, offenbar hat ihn jemand betrügen wollen, und gegen seinen Willen wird er nun in eine kriminalistische Aktion hineingezogen, die ihm lächerlich erscheint und für ihn unangemessen. Er ist dabei, zum Helden oder Akteur einer polizeilichen Ermittlung zu werden, zum Lockvogel der Kriminalpolizei, und überdies fühlt er sich genötigt. Man zwingt ihn mitzuspielen, um sich von dem Verdacht zu befreien, an einem Betrugsversuch beteiligt zu sein.
Am nächsten Morgen ruft Aberte ihn an. Stolzenburg ist verwirrt, als der Anrufer seinen Namen nennt. Eine imaginäre Person, die ihn in den letzten Tagen fortgesetzt beschäftigt hat, die für ihn mit weit gespannten Erwartungen verbunden war und mit Ängsten, mit Überlegungen, Geld für den unerwarteten Fund aufzutreiben, und der begründeten Sorge, betrogen zu werden, diese Person bekommt plötzlich eine Stimme, wird erkennbar, realisiert sich. Aberte ist am Telefon sehr zuvorkommend, erkundigt sich nach Stolzenburgs Interesse an Weiskern, hört ihm aufmerksam zu, als er von seinem Plan erzählt, die Werke von Weiskern herauszugeben, und scheint vom Leben und Werk des Mannes, dessen Briefe er bei einem Trödler kaufte, gefesselt zu sein, da er sich nach allen möglichen Einzelheiten erkundigt. Stolzenburg wundert sich über Abertes Neugier und Aufmerksamkeit und berichtet ausführlich. Schließlich bestätigt ihm Aberte nochmals, dass sie sich am Vierzehnten sehen, damit er ihm die kostbaren Briefe übergeben kann, und bittet um Nachsicht, da er wenig Zeit habe und ihr Treffen zwischen seine nicht mehr umzulegenden Termine schieben müsse.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagt er, »und ich beneide Sie. Ich habe den Eindruck, Sie können sich ausschließlich Ihren Studien und Vorlieben widmen und müssen Ihre Zeit nicht mit Sitzungen in Aufsichtsräten und langwierigen Verhandlungen mit Bankern vergeuden. Ich beneide Sie wirklich, Herr Stolzenburg, und ich bin froh, dass die alten Briefe in die richtigen Hände kommen. Wissen Sie, ich kenne mich mit Weiskern nicht aus, aber ich will auch nicht, dass eine solche Kostbarkeit in dem Safe irgendeines
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