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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Ames
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Geruch wurde schlimmer, biss ihn in die Nase, brannte in seinen Augen, verklebte seine Luftröhre, sodass er kaum atmen konnte. Vielleicht lag es an der sengenden Hitze oder daran, dass Kneif und die Anderen ihm so zugesetzt hatten, aber er konnte sich beim besten Willen nicht auf seine Aufgabe konzentrieren. Sich in diesem Zimmer aufzuhalten bedeutete für ihn gerade mehr als nur Pein und Lewin merkte, wie sich das wütende Kribbeln in seinem Bauch immer weiter ausdehnte. Wie es stärker und bestimmender wurde. Obwohl er wusste, dass er es bereuen würde, richtete Lewin seinen Blick auf das Gesicht des Alten.
    Die trüben Augen blickten stumpf vor sich hin, die Kiefer bewegten sich in ruckartigen Bewegungen auf und ab, die faltigen Wangen zogen sich mechanisch wieder und wieder zusammen, um das Essen den Schlund hinabzubefördern. Aus dem Mundwinkel des Alten tropfte gräulicher Speichel, der an seinem Kinn einen milchigen Faden auf seine Brust herunter entstehen ließ.
    Lewin verzog angewidert das Gesicht. Dieser alte Mann war wirklich das Erbärmlichste und Widerlichste, was er jemals gesehen hatte. Er merkte, wie ihn das trockene Würgen im Hals kitzelte. Lewin wusste nicht, ob es die Wut in seinem Bauch oder der Anblick des Greises war, aber etwas zwang ihn, plötzlich von seinem Stuhl aufzustehen und sich ein paar Schritte von dem alten Mann zu entfernen. Er konnte sich nicht länger beherrschen, das Kribbeln wurde zu stark und er hatte bereits zum zweiten Mal an diesem Tag das Gefühl, als würden sich tausende von Ameisen in seinem Körper auf und ab bewegen.
    Was war nur los? Er war mit der Fütterung noch nicht fertig und gewaschen hatte er den Alten ebenfalls noch nicht. Lewin versuchte sich zu beruhigen , aber er schien keine Kontrolle mehr über sie zu haben. Sein Atem beschleunigte sich und plötzlich begann es, ihn am ganzen Körper zu jucken. Seine Haut brannte und fühlte sich viel zu klein für seinen Körper an. Wie ein Karnevalskostüm aus dem letzten Jahr, das nicht mehr richtig passte. Das Kribbeln in seinem Bauch wurde immer stärker, seine Arme juckten wie verrückt und er kratzte sich so lange, bis auf seiner Haut rote Striemen erschienen. Entsetzt starrte Lewin auf seine Arme, während die Wut in ihm immer stärker wurde.
    Dann begann er zu schreien.
    Er spie dem Alten die Wor te ins Gesicht, beschimpfte ihn und verfluchte ihn. Er beschimpfte seine Mutter, sein Leben, die Stadt und zum Schluss brachte er gar keine Worte mehr hervor, sondern schrie einfach nur noch, als würde ihm soeben bei lebendigem Leib die Haut vom Fleisch gezogen. Das ganze Zimmer füllte sich mit seiner eigenen Stimme, die so laut in Lewins Schädel dröhnte, dass es in seinen Ohren zu klingeln begann. Dabei fühlte er, wie das Kribbeln in seinem Körper immer schwächer wurde. Der Druck in seinem Kopf begann sich zu lösen und das Atmen fiel ihm wieder leichter. Nach ein paar Augenblicken machte ihm das Ganze richtiggehend Spaß und er wunderte sich, weshalb er etwas derartiges nicht schon viel früher versucht hatte.
    Eine Minute später war das unangenehme Gefühl in seiner Magengegend vollständig verschwunden und auch die Übelkeit war nicht mehr da. Seine Haut juckte und brannte nicht mehr, sondern fühlte sich stattdessen angenehm kühl an. Lewin hörte auf zu schreien. Seine Kehle war trocken und heiß. Er musste dringend etwas trinken.
    Sein Blick fiel auf den alten Mann. Die dunklen Vorhänge ließen nicht viel erkennen, aber seine trüben Augen starrten noch immer teilnahmslos ins Leere. Aus seinem halb geöffneten Mund tropfte derselbe stetige Strom zähflüssigen Speichels, der in dem Licht, das durch die geöffnete Tür fiel, beinahe harmlos glitzerte. Mit einer ruckartigen Bewegung wandte Lewin sich ab und verließ das Zimmer. Er konnte ihn jetzt nicht waschen, er musste aus seiner Nähe verschwinden. Er fühlte sich viel zu gut, um sich weiter mit diesem verwesenden Greis zu beschäftigen. Dieser Wutausbruch, so überraschend er auch gekommen war, hatte ihn motiviert.
    Lewin war jetzt vollkommen klar im Kopf. Die Hitze und die stickige Luft, die noch immer aus dem Zimmer des Alten drangen, schienen ihm nichts mehr auszumachen. Seine Glieder fühlten sich federleicht an. Einzig seine Niere schmerzte noch.
    Ohne noch einen einzigen Blick auf den Mann im Schaukelstuhl zu werfen, zog Lewin die Tür zu und begab sich nach unten. Wieso hatte er das nicht schon früher gemacht? Auf seinem Gesicht lag ein

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