Weiß (German Edition)
täglich gewaschen und gefüttert werden. Und dabei führte er sich jedes Mal auf wie eine garstige Furie. Wie ein tollwütiges Pferd, das mit stahlbeschlagenen Hufen um sich tritt. Wie eine Hyäne, die geifernd und kreischend versucht einen Fetzen Fleisch vom verendeten Tier abzureißen.
Diese Stadt hat mich gequält. Sie hat mir alles abverlangt. Und ich habe versucht, es ihr recht zu machen. Ich habe mich wirklich bemüht, auch wenn es mir nicht leicht gefallen ist. Gedankt hat sie es mir nicht. Der Alte ist ein Beweis dafür.
Sieben
Lewin schlenderte an der alten Kapelle vorbei, als er plötzlich einen spitzen Schrei vernahm. Er blieb stehen und sah sich um, konnte aber niemanden sehen. Der Schrei verwandelte sich in ein Röcheln und Lewin erkannte auf einer Wiese neben der staubigen Straße einen kleinen Körper, der sich unter heftigen Zuckungen zu winden schien.
Auch wenn er es normalerweise vermied, sich in die unmittelbare Nähe von Katzen zu begeben, konnte Lewin seine Neugier nicht unterdrücken . Vorsichtig bewegte er sich auf das ruckartig zuckende Bündel zu. Jederzeit bereit, die Flucht zu ergreifen, sollte sich das Tier erholen und dazu entscheiden, ihn anzugreifen.
Die Katze war dunkel und fett. Lewin schätzte sie auf acht bis neun Kilo, ein wirklich großes Tier. Sie bewegte sich derart heftig und unkontrolliert, dass es Lewin zunächst nicht gelang, den Kopf ausfindig zu machen. Da die röchelnden Geräusche jedoch nur von einem Ende der Katze zu kommen schienen, vermutete er ihn schließlich dort.
Als Lewin bis auf wenige Schritte herangekommen war, hörte der haarige Körper schlagartig auf zu zucken und blieb regungslos liegen. Lewin verharrte ebenfalls in der Bewegung und hielt die Luft an. Er rechnete fest damit, dass die Katze jeden Augenblick aufspringen und ihn anfallen würde und diese schmerzhafte Erfahrung wollte er seinem ohnehin schon ramponierten Körper ersparen.
Nach ein paar Sekunden der Stille wurde Lewin aber klar, dass die Katze ihn voraussichtlich nicht anspringen würde. Das Tier war absolut regungslos und soweit er das aus seiner Position erkennen konnte, hatte auch der Brustkorb aufgehört sich zu heben.
Lewin trat näher und betrachtete die Katze. Sämtliche Glieder des fetten Tieres schienen unnatürlich verdreht. Der Kopf war unter einem der fleischigen Vorderläufe begraben, sodass Lewin das Gesicht der Katze nicht sehen konnte. Suchend blickte er sich um. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass es keine gute Idee war, die Katze zu berühren.
Ein paar Meter entfernt lag ein Stock. Lewin nahm ihn in die schweißnassen Hände und hob damit langsam und vorsichtig den Vorderlauf an. Als er das Gesicht der Katze erblickte, drängte ihn ein erster Impuls dazu, den Stock auf der Stelle fallen zu lassen und sich unverzüglich von der Katze zu entfernen. Dann gelang es aber doch der Neugier, über die Vorsicht zu siegen und Lewin betrachtete entsetzt das aufgedunsene Gesicht des Tieres. Aus Augen, Mund und Nase lief eine weiße Flüssigkeit, die im dunklen Fell langsam kleine Blasen schlug. Lewin schauderte. Von der Katze ging ein seltsam schwefeliger Geruch aus, der in seiner Nase brannte. Der Geruch kam ihm bekannt vor, aber er konnte ihn nicht einordnen.
Es dauerte eine Weile, bis Lewin klar wurde, dass dieses Tier wahrscheinlich ansteckend war, aber dann ließ er den Stock los und wandte sich ab. Unruhe macht sich in ihm breit. Er kannte sich mit Tieren nicht gut aus. Die Katze hatte auf der Wiese mitten in der Sonne gelegen, es wäre gut möglich, dass der weiße Ausfluss eine Form der Dehydration darstellte. Gleichzeitig wäre es aber ebenso möglich, dass die Katze der Tollwut zum Opfer gefallen war. Bei der Menge an umherstreunenden Katzen in dieser Stadt bräuchte das niemanden zu wundern. Tollwut konnte auch für Menschen gefährlich werden. Er beglückwünschte sich erneut dazu, die Katze nicht angefasst zu haben. Vielleicht würde die Seuche ja endlich Schluss machen, mit dieser Katzenplage.
Mit einer weit ausholenden Bewegung schleuderte Lewin den Stock von sich. Dann wischte er sich die Hände an den Hosen ab, zog die Oberlippe angewidert nach oben und marschierte zügig weiter.
Die Katzensituation
Weiß war schon immer ein Katzenmagnet. Es gab rote Katzen, braune Katzen, schwarze Katzen, gelbe Katzen, graue Katzen, weiße Katzen und selbstverständlich alle nur denkbaren farblichen Mischformen. Gerade die bunten Biester werden von manchen Menschen
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