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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Ames
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der toten Katze bei Galen wollten. Der Mann war doch kein Tierarzt! Nicht einmal als Humanmediziner war er beliebt. Niemals hatte Lewin jemanden gesehen, der seine Praxis aufgesucht hätte und niemals hatte Galen von anderen Patienten gesprochen. Warum, zum Teufel, kamen Simon und seine Schergen dann nur auf die Idee, mit dem toten Tier ausgerechnet zu ihm zu gehen?
    Lewin dachte an die Fotos in Galens Wohnung und griff sich in die Hosentasche. Überrascht stellte er fest, dass das zerknitterte Abbild seines vierzehnjährigen Ichs nicht mehr darin steckte . Nach kurzem Überlegen kam er zu dem Schluss, dass er es in seiner Wohnung vergessen haben musste, als er nach den Fotoalben gesucht hatte. Das war nicht weiter schlimm, denn in seiner momentanen Situation hätte das Bild ihm ohnehin nicht weiter geholfen.
    Auch wenn Lewin sich innerlich gegen den Gedanken sträubte, weil er so beängstigend und absurd war, musste er sich mit der Idee anfreunden, dass Galen etwas mit der Krankheit zu tun hatte. Warum sonst sollten die anderen aus gerechnet zu ihm unterwegs sein? Die Vorstellung, dass der Arzt seines Vertrauens in das Umsichgreifen einer tödlichen Seuche verwickelt war, erzeugte in Lewin Übelkeit. Er schloss die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Diese Gedanken führten zu nichts und sorgten nur dafür, dass er langsam aber sicher durchdrehte. Und das durfte er nicht zulassen. Er brauchte einen klaren Kopf, um sich in Sicherheit zu bringen.
    Je länger er darüber nachdachte, desto irrealer kam ihm die ganze Situation vor. Er erinnerte sich selbst an die Leute aus den Zombiefilmen, wenn sie endlich realisierten, dass die Welt zugrunde ging und sie damit anfangen mussten, ihre eigene Haut zu retten. Diese Vorstellung gefiel ihm. In dieser Stadt gab es so viele Menschen, um die niemand und vor allen Dingen er selbst nicht trauern würde. Solange er nicht sicher wusste, dass er selbst ebenfalls infiziert war, konnte er den aktuellen Geschehnissen also durchaus etwas Positives abgewinnen.
    Lewin lächelte und stieß sich von dem Baum ab. Er war jetzt klarer im Kopf und beschloss, sich weiter in den Wald zurückzuziehen. Galen hin oder her, es gab Dinge, die musste man einfach geschehen lassen.

Sechs
    Lewin arbeitete sich eine Weile durch das Unterholz und achtete dabei kleinlich darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Er wollte nicht riskieren, irgendjemandem die Verfolgung zu ermöglichen. Zwar wusste er nicht genau, wer ihm folgen sollte, aber momentan schien ihm alles möglich. Eine bekannte Lichtung aufzusuchen und dort zu verweilen, schien ihm demnach keine gute Idee zu sein. Die Gefahr, dort jemandem zu begegnen, war zwar gering, aber immer noch existent. Er würde sich lieber einen Platz im richtigen Dickicht suchen, wo man ihn nicht so leicht auffinden konnte, fernab der Trampelpfade und Picknickplätze.
    Die dornigen Büsche und Äste kratzten über seine Haut und als er das Gefühl hatte, bereits eine Ewigkeit durch all das Grün gestolpert zu sein, ließ Lewin sich ins weiche Gras fallen und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum.
    Müdigkeit überkam ihn.
    Bei genauerem Nachdenken fiel ihm auf, dass er seit heute Morgen durchgängig unterwegs gewesen war und es eher einem Wunder glich, dass er sich bis jetzt so gut auf den Beinen gehalten hatte. Er war gerannt, verprügelt worden, hatte Todesängste ausgestanden und vermutlich eine todbringende Krankheit entdeckt. Kaum zu glauben, dass er nicht längst umgekippt war. Er beschloss, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen.
    Lewins Lider wurden immer schwerer und seine Augen begannen zu brennen. In Gedanken überzeugte er sich davon, dass er mittlerweile weit genug von der Stadt entfernt war und dass er im Anschluss an ein kleines Nickerchen noch genug Zeit haben würde, einen Plan zu schmieden. Stück für Stück verschwamm die Welt vor Lewins Augen und er glitt leise in einen Dämmerzustand hinüber. Seine Gesichtszüge entspannten sich und sein Körper wurde schwer. Plötzlich zuckte er jählings zusammen. Dort vorne im Wald war etwas.
    Er hatte ein Geräusch gehört. Zuerst ein Knacken und dann eine Stimme. Lewin spannte jeden Muskel in seinem Körper an und lauschte. Das Rauschen der Blätter über ihm schien jedes andere Geräusch zu verschlucken. Er hörte absolut nichts und nach einer Weile entspannte er sich wieder. Vermutlich war es vollkommen normal, dass er begann, sich Dinge einzubilden. Er war bis zum Zerreißen angespannt, ein

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