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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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vernichtenden Blick. Beatrices Mutter kommt zurück.
    »Und wieso seid ihr heute nicht in der Schule?«
    Silvia schweigt. Ich bin dran.
    »Das Glück.«
    Beatrices Mutter sieht mich ratlos an.
    »Für Dante war Beatrice das Paradies. Und deshalb wollten wir sie besuchen.«
    Silvia prustet los. Ich bleibe ernst und werde rot, fast violett. Doch als Beatrices Mutter anfängt zu lachen, lache ich auch. Noch nie habe ich mich so dämlich und zugleich so wohl gefühlt. Beatrices Mutter lächelt mit einer Süße, die ich bei Erwachsenen nur selten gesehen habe, außer bei meiner Mutter. Selbst ihr teils schimmerndes, teils stumpfes kupferfarbenes Haar lächelt. Sie steht auf.
    »Jetzt sehe ich mal nach Beatrice, mal schauen, ob sie die Kraft hat.«
    Ich erstarre, bin versteinert vor Angst. Jetzt wird mir klar, was wir hier eigentlich machen. Ich bin bei Beatrice zu Hause und werde gleich zum allerersten Mal mit ihr reden, von Angesicht zu Angesicht. Meine Beine zittern, sie schlottern wie eine Fahne im Wind, und meine Spucke hat sich sonst wohin verkrochen und in meinem Mund eine Minisahara zurückgelassen. Hastig trinke ich einen Schluck Cola, aber meine Zunge bleibt trocken wie Kaminholz.
    »Kommt.«
    Ich bin alles andere als bereit. Ich habe nur irgendwelche Klamotten an. Ich habe nur mich selbst, aber ich glaube nicht, dass das genug ist. Ich bin nie genug. Aber da ist ja noch Silvia.

I ch stehe vor Beatrices Lächeln. Ein müdes, aber wahres Lächeln. Ihre Mutter ist rausgegangen und hat die Tür hinter sich zugezogen. Ich setze mich vors Bett, Silvia ans Fußende. Beatrice hat einen dünnen, roten Haarflaum, der ihr etwas Soldatisches gibt, aber sie ist trotzdem eine perfekte Mischung aus Nicole Kidman und Liv Tyler. Ihre grünen Augen sind grün. Ihr Gesicht ist abgespannt, aber fein geschnitten und voller Ruhe, die Wangenknochen sanft geschwungen, die Augen elfenhaft schräg. Alles an ihr ist ein Glücksversprechen.
    »Ciao Silvia, ciao Leo.«
    Sie kennt meinen Namen! Den wird ihr ihre Mutter gesagt haben, oder sie hat in mir den Verfasser der Handy-Nachrichten erkannt. Jetzt glaubt sie bestimmt, dass ich ihr nachstelle, dass ich die arme Sau bin, die versucht hat, sie per SMS anzubaggern. Wie auch immer, sie hat meinen Namen gesagt, und dieses Leo aus Beatrices Mund scheint unversehens Wirklichkeit zu werden. Silvia nimmt wortlos ihre Hand. Dann sagt sie:
    »Er wollte dich kennenlernen, er ist ein Freund von mir.«
    Fast hätte ich losgeflennt vor Glück. Meine Lippen bewegen sich von selbst, obwohl sie keine Ahnung haben, was sie sagen sollen.
    »Ciao, Beatrice, wie geht es dir?«
    Was für eine Scheißfrage! Wie soll’s ihr schon gehen, Schwachmat?!
    »Gut. Nur ein bisschen müde. Diese Therapien sind ganz schön heftig und schwächen mich ziemlich, aber sonst geht’s mir gut. Ich wollte mich bei dir bedanken, weil du mir Blut gespendet hast. Meine Mutter hat mir alles erzählt.«
    Also stimmt es, dass mein Blut Beatrices rotes Haar nährt. Ich bin glücklich. Oberglücklich. Das schüttere rote Haar, das auf ihrem Kopf sprießt, ist meinem Blut zu verdanken. Meiner blutroten Liebe. Der Gedanke ist so heftig, dass mir etwas ganz Schräges rausrutscht:
    »Ich bin glücklich, dass mein Blut in deinen Adern fließen darf.«
    Auf Beatrices Gesicht erscheint ein Lächeln, das im Nu eine Million Fischstäbchen auftauen würde, mein Herzschlag verdoppelt sich, und meine Ohren werden heiß und bestimmt auch rot. Ich entschuldige mich sofort. Das war total daneben und völlig taktlos. Ich bin so ein Blödmann! Am liebsten würde ich im Dunkel dieses Zimmers verschwinden, von dem ich noch nichts mitbekommen habe, so sehr bin ich auf Beatrices Gesicht fixiert: Zentrum meines Lebensradius.
    »Kein Problem. Ich bin froh, dein Blut in meinem Herzen zu haben. Ihr seid also heute nicht zur Schule gegangen, um mich zu besuchen … danke. Ich war so lange nicht mehr in der Schule, das kommt mir alles so weit weg vor …«
    Sie hat recht. Verglichen mit dem, was sie durchmacht, ist die Schule ein Spaziergang. Muss man denn mit sechzehn wirklich überzeugt davon sein, das Leben sei die Schule und die Schule das Leben? Die Lehrer seien die Hölle und die Ferien das Paradies? Und die Noten das Jüngste Gericht? Kann es denn sein, dass die Welt mit sechzehn den Durchmesser des Schulhofes hat?
    Die grünen Augen flackern in ihrem perlmuttenen Gesicht wie nächtliche Feuer und lassen erahnen, dass sie innerlich vor Leben sprüht, wie

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