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weißblau queer gestreift

weißblau queer gestreift

Titel: weißblau queer gestreift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Brandl
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toll ist das auch wieder nicht«, gebe ich zu bedenken. »Mit Frauen hat man viel Ärger, das kannst du mir glauben.«
    Mandy strahlt jetzt wie ein Komet. »Darf ich dich was fragen?«
    »Ja, klar.«
    »Warum ist das eigentlich so ein großes Geheimnis? Weiß hier keiner, dass du lesbisch bist?«
    »Genau. Und es darf auch keiner wissen. Die holen sonst einen Exorzisten, um mir den Teufel auszutreiben, oder sie stecken mich in die Irrenanstalt.«
    »Ach, ich glaube nicht, dass hier jemand so schlimm reagieren würde. Die Leute, die ich bisher kennen gelernt habe, waren sehr, sehr nett. Allen voran deine Mutter!«
    »Ach, die tun doch alle nur so. Hier ist es aber nicht wie in der Stadt, wo in jeder Straße ein fröhlicher Schwuler und eine lustige Lesbe spazieren. Wir stecken im hinterletzten Kaff im tiefsten Bayern. In unserem Dorf wird geredet und gelästert, dass einem die Ohren schlackern. Lauter hysterische und gelangweilte Tratschweiber stehen überall herum. Die sind wie Spione. Und ihr Netzwerk funktioniert ausgezeichnet. Die Nachrichten verbreiten sich wie Lauffeuer. Keiner ist vor diesen Weibern sicher, die wissen immer alles und platzen vor Schadenfreude, wenn jemandem mal was Dummes passiert. Echte Hexen sind das, die ihre Bosheit mit falscher Frömmigkeit tarnen! Und das Schlimmste: Die sind alle hochgradig homophob.«
    »Echt?«
    »Ja, echt. Bitte, Mandy, versprich mir hoch und heilig, dass du niemandem etwas erzählst!«
    »Okay. Ich werde schweigen. Versprochen!«
    Ich sehe sie durchdringend an. Kann ich ihr vertrauen? Nicht dass sie mir etwas Böses wollte, aber vielleicht verplappert sie sich aus Versehen? Das Mädel redet ja so gerne und so viel, ist wie ein offenes Buch. War es nicht doch ein Fehler, derart freimütig zu sein?
    »Wirklich!«, beteuert sie jetzt, als könne sie meine Gedanken lesen. »Du kannst mir vertrauen. Ich bin doch keine blöde Kuh!«
    Mandys Gesicht ist ganz ernst, sogar ein wenig angespannt. Es ärgert sie offenbar, dass ich an ihrem Versprechen zweifle. Und sie hat gerade eine Ernsthaftigkeit an sich, die mir doch imponiert.
    »Ist gut. Ich glaube dir.«
    Da lächelt sie wieder. »So, und nun erzähl’ mir deine Liebeskummergeschichte. Du hast es versprochen!«
    »Na schön. Weißt du noch? Ich hab’ dir vor einigen Tagen gesagt, dass ich schlecht drauf bin, wegen einer Freundin. Diese Freundin heißt Lizzy und wir sind seit knapp einem Jahr zusammen. Aber in letzter Zeit ist total der Wurm drin …«
    Schon bin ich mitten in der Geschichte. Ich erzähle davon, wie wir uns im Internet kennen gelernt haben, von den ersten schönen Wochen und wie es dann langsam bergab ging. Ich lästere über Olaf, über Lizzys familiäre Verpflichtungen und über ihre Feigheit. Mandy hört interessiert zu und stellt immer wieder Fragen. Schließlich komme ich an den Punkt, wo ich erkläre, dass Lizzy versprochen hat, mich morgen zu besuchen: »… aber eigentlich habe ich überhaupt keinen Bock drauf. Lizzy geht mir derzeit so was von auf die Nerven …«
    »Liebst du sie denn?«
    Die Frage überrumpelt mich etwas. »Hm«, mache ich und überlege kurz. »Gute Frage. Am Anfang war ich wohl verliebt, aber jetzt …«
    »Also nein«, beschließt Mandy keck. »Wenn man erst überlegen muss, ist man nicht verliebt.«
    Erstaunt blicke ich auf die Kleine. Die ist vielleicht doch nicht so naiv. Wahrscheinlich hat sie sogar recht … Das ist an neuen Erkenntnissen erst mal zu viel. Schweigend versuche ich, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen.
    »Was hält euch eigentlich noch zusammen?«, fragt Mandy in mein Gedankenwirrwarr hinein.
    »Was weiß ich«, stöhne ich und fühle mich plötzlich ganz leer.
    »Würde es dich traurig machen, wenn zwischen euch Schluss wäre?«
    Ich schüttele den Kopf. Nein, ich wäre nicht traurig. Ich wäre erleichtert. Und ich liebe Lizzy auch nicht. Eine heiße Welle der Wut überkommt mich. Aber nicht der Wut auf Lizzy oder gar auf Mandy, oh nein: auf mich selbst. Weil ich zu doof bin, um meine eigenen Gefühle zu kennen. Weil ich total vernagelt an einer Beziehung festhalte, die nur noch nervt und nichts bringt. Weil ich nicht mal erwogen habe, den Schlussstrich zu ziehen. Ich vergeude sinnlos Zeit und Energie, indem ich mich jeden Abend über Lizzy aufrege, und warte stumpfsinnig ab, was geschieht. Ob es irgendwann von allein endet. Ob Lizzy Schluss macht. Völlig passiv, als hätte ich kein eigenes Hirn. Und dann kommt so ein junges Mädel aus Dresden, das mich

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