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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Blick des Tabakwarenhändlers.
    Es wurde Zeit für den Weg zu Ernsts Praxis. Aber Franz hatte keine Lust mehr auf das Gedränge auf dem Markt, deshalb probierte er eine andere Route aus. Er hielt sich zunächst geradeaus, dann rechts und gelangte über eine schmale gassenartige Verbindung auf eine sehr belebte Straße mit sauberen Trottoirs, auf denen vornehme Herrschaften wandelten und Auslagen unzähliger Geschäfte begutachteten. An einer Hausecke entdeckte Franz ein Straßenschild.
    „Blutstraße“, stand dort geschrieben.
    Mein Gott, wie kommen die Rostocker auf so einen Namen, dachte er und schüttelte gedankenverloren den Kopf, abwägend ob hier in ereignisreicher Vorzeit eine Bluttat geschehen sei.
    Wenn er vor seinem Besuch im Tabakwarenladen von der Blutstraße gewusst hätte, dann hätte er sich noch die Zeit für eine Erklärung des seltsamen Namens genommen. Aber ihm fiel ein, er könne ebenso gut Mudder Schultzen fragen. Die alte Dame, Urgestein Rostocker Bürger, hatte gewiss allerhand Geschichten zu erzählen. Am Sonntag würde er sie zum Kirchgang begleiten und sie zu einem Mittagessen einladen. Er überlegte sich, das sei eine gute Gelegenheit, ein bisschen in der Stadtgeschichte zu kramen.
    Franz schritt schneller aus und richtete sein Interesse auf seine Umgebung. Rechts von ihm ragte der Turm von St. Marien auf. Sein Mauerumfang war gewaltig, nur – sein Dach wirkte geradezu kümmerlich, als sei noch in der Bauphase das Geld ausgegangen. Links erkannte er in einiger Entfernung den prächtigen Turm von St. Jacobi, dessen Turmdachbasis an eine riesige Glocke erinnerte, der von den Baumeistern eine kunstvolle, mehrfach durchbrochene Spitze aufgesetzt worden war. Er hatte sich also linker Hand zu halten, dort rückten bereits die Häuser auseinander, die das Dreieck des Hopfenmarktes umschlossen.
    Hier kannte er sich aus und fand sich bestens zurecht.
    Im dunklen Treppenhaus vor den Räumen des Freundes begegneten ihm noch zwei, drei Leute. Franz hoffte, heute den Vorraum zum Behandlungszimmer nicht mit Wartenden angefüllt zu finden. Er lugte vorsichtig zur Tür hinein. Nein, er hatte Glück, es war kein Mensch mehr da.
    Angestrengt horchend, ob Stimmen im Nachbarraum zu hören waren, verharrte Franz. Doch die Tür war entweder stabil genug, hielt alle Geräusche auf, oder Ernst war noch anderweitig beschäftigt. Franz verzichtete darauf, anzuklopfen. Er machte es sich auf einem der Stühle bequem. Heute lagen keine Zeitungen auf besagtem Tischchen bereit, die ihn hätten verführen können, einen Blick hineinzuwerfen. Gelangweilt stand er auf und marschierte ziellos auf und ab. Vor der Tür räusperte er sich geräuschvoll. Der gewünschte Erfolg blieb nicht aus, Ernst öffnete sofort.
    „Sei gegrüßt! Komm rein, ich hab schon auf dich gewartet“, lud Ernst ein. „Ich mach nur schnell die Vordertür zu, damit wir ungestört bleiben.“
    Er scheint guter Laune zu sein, dachte Franz. Er wartete gespannt, bis Ernst sich hinter seinem Schreibtisch niedergelassen hatte.
    Ernst folterte ihn auch nicht mit weitschweifigen Einleitungen, sondern kam gleich zum Kern der Sache: „Folgendes! Der Stich in den Rücken war tatsächlich die Todesursache, er traf zielsicher mitten ins Herz!“
    Franz rieb sich unbewusst über seine Narbe. „Womit bewiesen wäre, der Täter ist kein Dilettant, besitzt sozusagen einschlägige Kenntnisse, wie man jemanden vom Leben zum Tode befördern kann“, bemerkte er.
    Ernst nickte. „Ja, so sehe ich das auch“, stimmte er zu. „Aber wegen der Schnittverletzungen an der linken Hand und am Unterarm nehme ich an, das Opfer habe sich mindestens gegen zwei Gegner wehren müssen.“
    Franz hob die Brauen.
    „Ich erkläre mir das so“, sagte Ernst, „das Opfer wurde von einem bewaffneten Angreifer abgelenkt, so dass sich der eigentliche Mörder unbemerkt von hinten nähern konnte. Oder aber – noch schlimmer – das Opfer wurde von mehreren Angreifern festgehalten. Es war ein sehr überlegter Stoß, sauber geführt, wenn man den Begriff in einem solchen Zusammenhang überhaupt benutzten darf. Es folgte auch kein weiterer, deshalb schließe ich eine Affekthandlung aus. Es war gemein geplanter Mord!“
    Franz erschauerte. Schon kreisten seine Gedanken um eine Mörderbande. Doch wie passte der biedere Johann zu solcher Gesellschaft? Und welches Motiv war den Verbrechern zu unterstellen, das zum Verschwinden des Bruders passte?
    „Womit ist der arme Kerl umgebracht worden?

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