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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Ich meine, vielleicht kann man anhand der Waffenart Rückschlüsse auf den oder die Täter ziehen. Du hattest mir doch erzählt, eure Wissenschaft könnte so etwas leisten.“
    „O ja. Zuerst hat Professor Josephi den Stichkanal sondiert. Das herausragende Ende der Sonde ermöglichte es uns, den Verlauf der Verletzung nachzuvollziehen. Demnach ist der Stoß von links unten nach rechts oben geführt worden.“
    Franz hob ruckartig den Kopf und starrte Ernst an.
    Der nickte. „Ja, du hast recht gehört, auch der Täter könnte ein Linkshänder sein. Das Profil des Stichkanals verrät aber noch mehr: Höchstwahrscheinlich ist ein kurzer Degen oder ein Stilett als Waffe benutzt worden, jedenfalls muss es eine außerordentlich schmale zweischneidige Klinge gewesen sein. Dadurch lässt sich der Täterkreis eingrenzen, schließlich trägt nicht jeder ein Stilett im Stiefel.“
    „Das musst du nur noch Kommissär Goltzow erzählen, dann sperrt der mich sofort als Hauptverdächtigen ein.“
    Nun war es an Ernst, die Brauen zu heben. „Wie meinst du das?“, fragte er irritiert.
    Franz grinste freudlos, stellte sein rechtes Bein vor, zog sein Stilett aus dem Stiefel und warf es auf den Schreibtisch. Ernst war sprachlos.
    „Ich schwöre: in den letzten vierzehn Tagen habe ich es nur als Brieföffner oder Einbruchwerkzeug – und nur unter Verwendung der rechten Hand – benutzt.“ Franz hob zynisch die Schwurhand.
    „Steck bloß das Ding weg! Ich vergesse immer, dass ich es mit einem Offizier zu tun habe, dem der Gebrauch von Waffen so geläufig ist wie mir der Umgang mit meinem Rasiermesser.“
    „Na ja, so ist es nun auch wieder nicht! Oder glaubst du etwa, es machte mir genauso wenig aus, jemandem meinen Säbel über den Schädel zu ziehen, wie du dir die Bartstoppeln aus dem Gesicht kratzt?“
    Ernst erbleichte. „O Gott, Franz, so wollte ich meine Bemerkung nicht verstanden wissen“, versicherte er.
    Franz winkte ab. „Ja ja, schon gut. Ich habe selbst oft genug unüberlegtes Zeug dahergeredet.“ Er nahm die Waffe an sich, wog sie in der Hand, warf sie von der Rechten in die Linke und wieder zurück, ließ sie dann im Stiefel verschwinden. Dabei schaute er kurz zu Ernst hinüber, der mit undurchsichtiger Miene das Schauspiel verfolgt hatte.
    „Ich trage das Ding nur zur Selbstverteidigung“, sagte Franz in seinem Bedürfnis, sich vor dem Arzt rechtfertigen zu müssen. „Es scheint mir nötig, selbst dann bewaffnet zu sein, wenn ich nicht für jedermann sichtbar meine Dienstwaffen trage, nachdem ich einmal Opfer eines hinterhältigen Anschlages geworden bin.“
    Ernst wollte etwas sagen, aber ihm blieb der Mund offen stehen. Das Leben des Offiziers, das er sich als Aneinanderreihung gefährlicher Abenteuer vorstellte, entsprach so gar nicht dem eigenen, in dem nicht einmal das Ableisten eines Militärdienstes vorgekommen war. Auch deshalb faszinierte ihn der junge Mann in seinem Behandlungszimmer umso mehr. Franz hatte den Pulsschlag der Weltgeschichte hautnah gespürt.
    „Möchtest du mir davon erzählen?“, bot Ernst an.
    „Die Geschichte ist eher unspektakulär, wenn sie nicht eine so große Bedeutung für mein Leben gehabt hätte“, begann Franz, als habe er auf die Aufforderung nur gewartet. „Damals war ich nach Paris als Beobachter und Verbindungsoffizier abkommandiert worden und genoss das Leben in der großartigen Metropole. Die Franzosen verstehen es, zu repräsentieren. Seit Jahrhunderten haben sie einen fest gefügten Nationalstaat, den wir Deutschen wohl niemals zustande bringen werden. Wie sie während der Revolution ihrem König und dem gesamten Adel mitgespielt haben, will ich mal großzügig vernachlässigen.
    Berlin ist zwar auch groß, aber im Vergleich zu Paris schneidet es doch recht bescheiden ab. Der Lebensstil der Berliner ist geradezu provinziell. Obwohl ich Paris als Vertreter der Besatzungstruppen erlebt habe, erstaunten mich seine Bürger stets aufs Neue. Die politischen Wirren wurden einfach als gegeben hingenommen, und man machte das Beste daraus. In der Stadt wimmelte es von Militär und Beamten verschiedenster Dienstgrade und Nationen. Jeden Abend fanden rauschende Feste statt. So sondierten gut situierte Pariser einflussreiche Persönlichkeiten, um wieder ins Geschäft oder zu einträglichen Posten zu kommen. Bei einer solchen Gelegenheit lernte ich eine Dame kennen: Madame Luynes. Sie war wunderschön, verwitwet, und ausgestattet mit dem vielgerühmten französischen

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