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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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noch Zeit, die es zu nutzen galt.
    Franz lenkte seine Schritte ein weiteres Mal in die Große-Mönchen-Straße, deren Verlauf ihn zurück ins Stadtinnere brachte. Nach einer Weile rückten die Häuser immer weiter auseinander. Im Zentrum eines schmalen Platzes, der sich anschloss, stand ein kleines Fachwerkgebäude, das von allerhand Leuten frequentiert wurde. Fuhrwerke wurden davor ent- und beladen. Franz gestattete sich einen Blick in das Innere des Hauses. Vor ihm tat sich eine Halle auf, in deren Mitte eine Waage stand. Man erklärte ihm auf seine Frage, hier prüfe man die Gewichte aller Waren mit den geeichten Gewichten der Stadtwaage. Franz ließ das Häuschen rechts liegen und setzte seinen Weg fort, bog dann in die Krämer-Straße ein. Dort, so hatte ihm Mudder Schultzen mit auf den Weg gegeben, sei das Postkontor zu finden.
    Er fasste ein großes Gebäude ins Auge. Und richtig: Ein Schild an eben diesem Gebäude ließ alle Passanten wissen, hier walteten die Postler ihres Amtes. Franz trat ein. Demut senkte sich über sein Haupt. Hier konnte er sich nur aufs Bitten verlegen. Er trat an einen Schalter heran, wartete lange genug, dann machte er sich doch bemerkbar. Der Beamte ließ sich herab, aufzuschauen.
    „Sie wünschen?“, kam es kurz und knapp. Der Postbeamte gab mit einem Blick auf seine umständlich hervorgezogene Taschenuhr zu verstehen, man möge seine kostbare Zeit nicht verschwenden.
    Franz räusperte sich, um seiner Stimme einen volltönenden Klang zu verleihen. „Ich möchte die Briefe für meinen Bruder Johann von Klotz abholen“, sagte er in einem Ton, als ob ein solcher Gang jeden Tag zu seinen Pflichten zähle. Sein Herz klopfte unerwartet heftig.
    Der Beamte zupfte seine Uniform zurecht, starrte Franz über sein vernickeltes Brillengestell hinweg an und hielt ihm wortlos die Hand hin.
    Irritiert über die freundlich aufgefasste Geste zögerte Franz, dem Beamten dieselbige zu schütteln.
    „Die Vollmacht, junger Mann“, erläuterte der Posthalter gereizt.
    „Ich besitze keine Vollmacht“, gestand Franz.
    Der Beamte plusterte sich bereits beim Einatmen auf. „Sie wollen von mir Briefe ohne Vollmacht haben?“, entrüstete er sich. Eine solche Kühnheit konnte der Mann hinter dem Schalter allem Anschein nach kaum fassen.
    Franz sah ein, mit Leuten, denen Stempel und amtliche Siegel so wichtig waren wie das tägliche Brot, war nicht gut zu verhandeln.
    „Hören Sie bitte!“, begehrte er auf. „Mein Bruder wird vermisst. Ich habe eine entsprechende Anzeige bei der Polizei gemacht. Aber ich bin nur noch wenige Tage in Rostock und muss seinen Nachlass sichten und den Haushalt auflösen.“ Franz war sich seiner Mischung aus Dichtung und Wahrheit, die ihm ungeniert über die Lippen geschlüpft war, sehr wohl bewusst. Doch er fragte sich, wem es schadete, wenn er die Briefe seines Bruders an sich nähme.
    „Dann bringen Sie mir einen Toten- oder einen Erbschein oder die Vollmacht des Erben, falls Sie das nicht sein sollten.“ Damit war die Angelegenheit für den Beamten erledigt. Er konsultierte seine Taschenuhr ein weiteres Mal.
    Franz versuchte noch einen letzten Vorstoß. „Wie kann ich Ihnen einen solchen Schein bringen, wenn mein Bruder gar nicht tot ist“, fragte er.
    „Den Schein können Sie beantragen, wenn Sie ihn für tot erklären lassen“, wurde ihm teilnahmslos geraten.
    „Sagen Sie mir wenigstens, ob überhaupt Briefe für Johann von Klotz bei Ihnen lagern?“ Mit seiner Bitte sandte er einen flehenden Blick über die Schalterabsperrung, doch der prallte an der Postuniform ab wie ein Wassertropfen auf Ölzeug.
    Franz ballte die Fäuste, dass die Knöchel weiß wurden. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft beherrschte er sich. Nur nicht ausfällig werden, sagte er sich, wohl wissend, sein Abreagieren werde auch nichts ändern. Dem Moment der Erleichterung würde unweigerlich die Einsicht folgen, sich nicht im Griff gehabt zu haben. Franz lüftete zum Abschied nur seinen Hut.
    Einigermaßen zerknirscht erreichte er neutrales Straßenpflaster. Gern hätte er seinem Frust in einem liederlichen Fluch Luft gemacht, aber er wollte die älteren Damen, die an ihm vorbeischlenderten, nicht mit ungebührlichem Betragen belästigen. Die Damen lächelten dem jungen Mann mit der gesunden Gesichtsfarbe zu und wurden nicht enttäuscht; Franz lächelte zurück, somit blieb er ihnen als Vorbild erfolgreicher Erziehung noch lange in Erinnerung.
    Missmutig machte er sich auf den

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