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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Esprit. Es war eine Wonne ihr zuzuhören. Sie hätte eine große Herrenrunde unterhalten können, wenn die weibliche Konkurrenz ihr den Acker nur allein zum Bestellen überlassen hätte.
    Im Garten des Gastgebers eines solchen Festes kam ich mit ihr ins Gespräch. Sie saß allein an einem Springbrunnen. Kummer beschwerte ihre Züge. Meine Versuche, sie aufzumuntern, begann ich vorsichtig und eher zögernd, weil ich glaubte, sie sei traurig wegen ihres toten Gatten, der vielleicht in einer der vielen Schlachten gefallen war, an denen ich beteiligt gewesen war. Aber es war nicht an dem. Sie schüttete mir bereitwillig ihr Herz aus und so erfuhr ich, ihr Sohn sei verhaftet worden, ihm seien konspirative Verbindungen zu den Anhängern Napoleons vorgeworfen worden, der ja mittlerweile von den Engländern nach St. Helena in die Verbannung abgeschoben worden war.
    Der Junge war gerade siebzehn Jahre alt und hatte möglicherweise eine unbedachte Äußerung getan, die ein Denunziant für so wichtig gehalten hatte, sie der Geheimpolizei zuzuflüstern. Jedenfalls saß er im allergrößten Schlamassel. Ich versprach ihr, mich beim zuständigen Stab nach dem Jungen und den tatsächlichen Hintergründen zu erkundigen. Madame Luynes hielt offenbar große Stücke auf meine Fähigkeiten, sie wich den Abend nicht von meiner Seite. Ich genoss ihre Gesellschaft und die Tatsache, von allen männlichen Gästen beneidet zu werden.
    Der Junge wurde nach ein paar Tagen wieder freigelassen. Selbstverständlich habe ich mein Versprechen gehalten und in der Sache vorgesprochen, doch ich glaube nicht, dass ich viel ausgerichtet habe. Vielmehr war Monsieur Luynes junior, wie man mir später zutrug, einer geschickt eingefädelten Intrige zum Opfer gefallen, die nur ein Ziel verfolgt hatte – die grenzenlose Dankbarkeit von Madame Luynes.
    Nur zu dumm, dass Madame ihre Dankbarkeit an mich verschwendete. Sie war felsenfest von dem Erfolg meiner Bemühungen überzeugt. Somit ging der eigentliche Ränkeschmied leer aus. Er sann auf Rache, während Madame mich an all ihren Reizen kosten ließ.“ Franz blickte in Erinnerung der Liebesspiele, bei denen seine Angebetete und er die Laken ihres Himmelbetts zerwühlt hatten, träumerisch ins Leere.
    „Und du glaubst, der verschmähte Intrigant hat dir nach dem Leben getrachtet?“
    Ernsts Frage riss Franz in das Hier und Jetzt zurück. „Ja, davon bin ich überzeugt“, entgegnete er. „Obwohl die Sache niemals aufgeklärt wurde. Paradoxerweise hätte mein Widersacher sich gar nicht die Mühe eines Überfalls machen müssen.“
    „Mühe nennst du das?“, fragte Ernst erstaunt.
    „Ja, du musst die Angelegenheit aus der Sicht des Auftraggebers betrachten. Der ging ein beträchtliches Risiko ein. Das Mordkomplott hätte ebenso gut ein Fehlschlag werden können, zumindest bestand die Möglichkeit, dass die Kerle, die er gedungen hatte, den mörderischen Plan an Madame Luynes verrieten. Beispielsweise für ein paar France mehr als die, die sie bereits eingestrichen hatten. Wie gesagt, der Mühe war es nicht wert gewesen. Ich hatte meinen Marschbefehl längst in der Tasche.
    An meinem letzten Abend verließ ich das Hôtel meiner Schönen erst sehr spät. In einer dunklen Gasse passierte es. Die Kerle hatten mich observiert und dabei festgestellt, dass ich leichtsinnigerweise immer denselben Weg benutzte. Ich wurde von hinten gepackt und von mehreren Angreifern festgehalten. Bevor mir überhaupt klar wurde, dass ich mich in großer Gefahr befinde, spürte ich einen furchtbaren Stoß und dann lange Zeit gar nichts mehr.“
    Franz verstummte und holte tief Luft. Die Bilder aus der Erinnerung hatten zwar nichts von ihrem Schrecken verloren, aber er hatte genügend Abstand gewonnen, so dass er ohne übermäßige Erregung von seinem Erlebnis berichten konnte. „Ich hatte weder Zeit, zu begreifen, mein Tod sei beschlossene Sache, noch konnte ich den Sinn der Attacke verstehen. Ich bin nur froh gewesen, dass der Herr anderes bestimmt hat. Doch wer versteht schon im Angesicht des Todes, warum man ihm ans Leder will. Dann geht es immer nur ums nackte Überleben. Entweder – oder, weitere Möglichkeiten gibt es nicht, und es schien, als sollte mein Widersacher zum Ziel kommen.“
    Es trat Stille ein. Ernst wartete, ob Franz weitererzählen wolle und wurde nicht enttäuscht.
    „Seit jener Nacht gehe ich mit einem anderen Selbstverständnis durch die Welt. Vor gut einem Jahr glaubte ich noch, jederzeit mit einem

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