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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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die Lebensphilosophie eines Soldaten, der den Tod jederzeit einzukalkulieren hatte, ein weiteres Mal nicht bedacht.
    „Ja, das wird es wohl sein. Aber wünsche dir nicht, mich als Kameraden bei so etwas dabeizuhaben. Ich glaube, du müsstest mich als Deserteur erschießen“, gab Ernst unumwunden zu.
    Franz wedelte unwillig die Tabakrauchwolken zur Seite. „Ach was! Es hat halt nicht jeder das Zeug zum Soldaten. Besser, du urteilst selber so über dich, als dass unfähige Leute bei der Truppe sind und alles durcheinanderbringen. Glaube mir, es hat sich schon so mancher gnadenlos überschätzt. Deine Bestimmung ist es eben, Kranke zu heilen.“ Damit wollte Franz sein Resümee abschließen.
    „Da bin ich mir gar nicht so sicher“, gab Ernst zu bedenken. Mit der Bemerkung versetzte er Franz nun doch in Erstaunen.
    „Was soll das heißen! Bist du nicht gerne Arzt?“
    „Gewiss! Aber ich bin mir keineswegs sicher, ob es so etwas wie eine Bestimmung gibt. Ich bin ein Pastorensohn, wollte den Fußstapfen meines Vaters folgen, vielmehr wollte es mein alter Herr, dass ich so etwas tue. Ich tat ihm den Gefallen. Doch nach zwei Semestern Theologie habe ich begriffen, es sei doch nicht mein Anliegen, die Schäfchen bei der Herde zu halten und weltbildgestaltende theologische Dispute zu führen, wer dem Höllenfeuer vorstehe: der Teufel oder Belzebub.“
    Franz schmunzelte. „Sei froh, dass es keine Hexenprozesse mehr gibt. Wie kannst du so ketzerisch daherreden, noch dazu als Sohn eines Pastors“, mahnte er mit gespieltem Entsetzen.
    Ernst hob die Schultern. „Gottlob gab es die Aufklärung. Meinem Gewissen vor Gott reicht es, an ihn zu glauben. Ich beschloss, Mediziner zu werden und habe jede Möglichkeit genutzt, meinen Horizont zu erweitern. Ich glaube auch, sagen zu dürfen, kein schlechter Arzt zu sein.“
    „Gibt es denn überhaupt schlechte Ärzte?“, fragte Franz.
    Ernst warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Aus Sicht der Ärzte selbstverständlich nicht“, gestand er widerstrebend und zerknirscht ein. „Aber ich weiß doch heute noch nicht, ob ich in zehn Jahren noch Arzt bin oder etwas völlig anderes mache.“ Rasch stand er auf und kramte aus einer seiner Anrichten mehrere große Papierrollen hervor und breitete sie vor Franz auf dem Schreibtisch aus. „Das, mein lieber Freund, sind meine Konstruktionsvorschläge zur Verbesserung der Dampfmaschine.“ Ernst beobachtete Franz und registrierte zufrieden das Erstaunen seines Freundes. „Ich nenne sie Hochdruckdampfmaschine, habe sie mit einem sogenannten Röhrenkessel ausgerüstet. Hier siehst du ihn.“ Er tippte auf die Zeichnung des Bauteils. „Mit einem Rostocker Schmiedemeister habe ich erste erfolgreiche Modellversuche durchgeführt, die beweisen, dass mein Prinzip funktioniert.“
    „Das ist ja phantastisch!“, rief Franz. Er war aufgesprungen und beugte sich interessiert über die Pläne. „Damit wärst du ein gemachter Mann und brauchtest nie wieder Eiterbeulen aufzuschneiden.“
    Ernst schüttelte den Kopf. Dennoch amüsierte ihn die Abneigung des Soldaten gegen den Beruf des Arztes, der Außenstehenden auch mal brutal und Ekel erregend erscheinen mochte.
    „Ein gemachter Mann, schön wär’s“, wiederholte er. „Was hast du für Vorstellungen von der mecklenburgischen Obrigkeit oder auch nur von den Rostocker Amtspersonen? Hier hat doch jeder Angst vor Veränderungen, die mit der Technik Einzug hielten. Jeder, der über Einfluss verfügt, wacht neidisch über die Wahrung seiner Pfründen. Den meisten Ratsherren ist der Begriff Industrie zu definieren, weil sie damit nichts anzufangen wissen. Da müsste ich schon nach England gehen. Dort fiele meine Erfindung auf fruchtbaren Boden.“
    „Und? Warum tust du es nicht? Ich verfüge zwar über kein ausgeprägtes technisches Verständnis, um deine Leistung genügend würdigen zu können, aber der gesunde Menschenverstand sagt mir: Wenn das Ding hier funktioniert, solltest du Kapital daraus schlagen.“
    „Wenn ich ein Kosmopolit wäre, dann hielte mich gewiss nichts zurück, einen solchen Schritt zu wagen. Aber ich bin von glühendem Patriotismus beseelt. Ich klebe ganz einfach an meinem Vaterland“, bekannte Ernst.
    „Auch wenn dich das Vaterland der Umsetzung deiner Ideen beraubt?“, fragte Franz fassungslos. Er konnte sich nicht damit abfinden, dass ein junger Mecklenburger mit einer äußerst vielversprechenden Erfindung sich von rückschrittlichen Zuständen und Meinungen

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