Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
beschränken ließ und den Umstand auch noch mit Vaterlandsliebe entschuldigte.
Ernst nickte betrübt. „Weißt du, ich verfolge einen Lebensgrundsatz: Ich möchte nicht nur zum eigenen Vorteil tätig sein. Eines Tages verhelfen vielleicht meine Erfindungen unserem Land zu allgemeinem Wohlstand. Jedenfalls werde ich die Hoffnung nicht aufgeben.“
„Dein Lebensgrundsatz in allen Ehren, Herr Doktor, aber wenn du dir bis dahin als Arzt erfolgreich die Brötchen verdienen kannst, hast du ja auch genügend Zeit zum Warten.“
„Warum so zynisch? Herr Leutnant. Apropos Brötchen, hast du schon gegessen?“
„Vor einer Stunde, zwei Brötchen.“
Nachdem nun das dritte Mal von dem kleinen runden Weizenmehlgebäck die Rede gewesen war, griff Ernst zu einem Vesperpaket. Charlotte, seine treu sorgende Ehefrau, musste Ernst mit reichlichem Appetit gesegnet wissen, der Umfang des Paketes war beträchtlich.
„Bitte! Bedien dich“, wurde Franz aufgefordert, während Ernst die belegten Brote auf einen Teller schichtete. Er zauberte sogar eine Bierflasche hervor, deren Inhalt er auf zwei Gläser aufteilte.
„Was ich noch sagen wollte.“ Ernst sprach ungeniert mit vollem Mund. „So kunstgerecht unser Mordopfer auch umgebracht worden ist, so stümperhaft ist er seines Kopfes beraubt worden.“
„Und was schließen wir daraus?“, wollte Franz wissen.
„Der mit dem Stilett hat sich nicht weiter die Finger schmutzig machen wollen, hat die grausige Angelegenheit jemand anders überlassen oder aber einen der Mittäter erst später zurückgeschickt, um das makabere Werk vollenden zu lassen. Nach meiner Meinung ist das benutzte Werkzeug stumpf und wenig geeignet gewesen. Wir haben Spuren von Rost und Erdreich an der Schnitt-, besser gesagt Hackfläche, gefunden.“
„Sehr appetitlich! Hat Professor Josephi eigentlich vom Kommissär irgendwelche Anhaltspunkte erhalten, ob Tatort und Fundort der Leiche identisch sind.“
„Vielleicht! Aber ich habe versäumt, danach zu fragen, doch wenn es so wäre, kriegte ich das auf alle Fälle raus“, meinte Ernst.
„Du kennst die Professoren der Universität gut, nicht wahr?“
„Das will ich meinen“, bestätigte Ernst mit vollen Backen.
„Könntest du die Herren bei Gelegenheit zu meinem Bruder befragen? Ich versuche derweil bei Johanns Kommilitonen weiterzukommen. Übrigens – ich habe Frieder Küfer gefunden.“
„Was, der lebt noch!“, entschlüpfte es Ernst. Betroffen schaute er Franz an. „Mein Gott, das ist mir eben so rausgerutscht. Ich habe dem Burschen nicht so viel Zeit eingeräumt. Ich vermute, du hast ihn im Heiligen Geist Hospital ausfindig gemacht.“
„Ja, er ist jedoch in einem erbärmlichen Zustand. Ich werde ihn heute auf alle Fälle noch mal besuchen, hoffe, er hat sich so weit beruhigt, dass er mir doch noch etwas anvertraut.“
Ernst kaute und wartete.
„Na ja. Ich habe ihn wohl zu derb angefasst“, meinte Franz. „Nachdem Küfer mich für Johann gehalten und davon gesprochen hat, froh zu sein, dass mein Bruder nicht erwischt worden wäre, kannst du dir sicherlich vorstellen, dass es mich außerordentlich interessiert, wen er damit meint.“
„Das kann ich durchaus. Aber nimm es mir nicht übel, wenn ich noch einmal auf unseren gemeinsamen Freund zu sprechen komme.“ Ernst machte eine eindeutige Geste unterhalb seines Kopfes. „Dem wurde nämlich noch am rechten Oberarm ein talergroßes Stück Haut herausgeschnitten. Der Eingriff erfolgte eindeutig nach seinem Ableben.“
Franz pfiff durch die Zähne. „Das ist allerdings äußerst interessant und bietet Anlass für allerhand Spekulationen. Was meint denn die Wissenschaft dazu?“
„Nichts anderes als das Militär, dort hat ein eindeutiges Merkmal gesessen, das entweder das Individuum oder aber dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe hätte erkennen lassen können.“
„In der Tat! Und wir sollten davon ausgehen, der – oder die –Mörder tragen eben dieses Zeichen an derselben Stelle.“ Franz legte seine Stirn in Falten. „Sind dir Geheimbünde in Rostock bekannt, die sich tätowieren?“
„Und des Nachts zwischen Gräbern eigene Mitglieder meucheln?“, setzte Ernst sarkastisch hinzu. „Franz, ich bitte dich! Ich bin nur ein biederer Bürger und selbst wenn ich davon gehört hätte, dann wären es erstens keine Geheimbünde mehr und zweitens – ich hätte dir bestimmt davon erzählt.“ Kaum hatte Ernst seinen milden Vorwurf ausgesprochen, fiel ihm etwas
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