Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
oder?“
„Johanna, Johanna!“ Margitta drohte lachend mit dem Finger.
Johanna errötete. „Ich will nicht zuschauen oder lauschen, was denkst du von mir!“, wehrte sie empört ab. „Ich möchte nur wissen, wie es dort vonstatten geht, ob die Herren wirklich schwimmen und nicht nur wie wir ein bisschen herumplanschen. Wenn man von hier aus in Richtung Herrenbad schaut, kann man ja auch außer einigen Schilderhäuschen zwischen segeltuchbespannten Stegen nichts erkennen.“
„Das hat bestimmt gute Gründe“, dozierte Margitta, „soll ich Stetten für dich fragen, wie es die Herren im Bade halten?“
„Untersteh dich“, drohte Johanna. Sie schwieg eine Weile. Doch ihr brannte eine Frage auf den Lippen und noch während sie mit sich rang, sprudelten sie auch schon hervor: „Wie findest du unsere selbsternannten Beschützer, die deine Mutter engagiert hat?“
„Tja, eines muss ich ihr lassen“, stellte Margitta altklug fest, „sie hat schon immer guten Geschmack bewiesen, was Männer angeht. Mein Vater ist auch ein sehr schöner Mann gewesen, weißt du. Deshalb hat sie auch so hohe Ansprüche. Mutter hätte bereits etliche Male heiraten können, aber ihre Freier haben ihre Erwartungen nicht erfüllt. Ihr Zukünftiger muss nicht nur reich, sondern auch schön sein. So schön wie dein Vater beispielsweise!“
Johanna riss die Augen auf. So hatte sie Margitta noch nie reden hören. Zwar tat sie eine mögliche Verbindung ihres Vaters mit Baronin von Plessen ab, aber Margittas Unterton hatte etwas im Schwange, das ihr bekannt vorkam: Verbitterung.
„Fehlt er dir sehr?“, fragte sie mitfühlend.
„Wer? Ach, du meinst meinen Vater. Ja, er fehlt mir. Im Tode mehr als zu seinen Lebzeiten, aber das ist wohl immer so. Als er noch gelebt hat, habe ich mich damit getröstet, die Zeit, die er nicht bei uns ist, irgendwann nachholen zu können. Aber das Leben sieht kein Nachholen vor, es hat mich gelehrt, alles, was ich habe, mit beiden Händen zu packen und es auszukosten bis zur Neige.“
Johanna schaute Margitta scheu von der Seite an. Die philosophischen Betrachtungen erstaunten sie und offenbarten ihr zugleich, weshalb Margitta niemals etwas nachtrug oder längere Zeit übellaunig blieb.
„Schau, da vorn kommen unsere Ritter!“ Margitta lachte wieder. „Beide sind so förmlich und galant. Es würde mich nicht wundern, wenn sie uns um ein Tüchlein bäten, um es im Turnier an ihre Harnische zu knüpfen.“
„Und wem würdest du dein Tüchlein schenken?“, fragte Johanna etwas bange.
„Ich weiß noch nicht“, versetzte Margitta scheinbar leichthin. Sie provozierte bewusst, weil sie Johanna als ausnehmend liebenswürdige Person kannte, die pausenlos versuchte, zu gefallen. Wut oder Leidenschaft mochten zwar ab und an in ihr brodeln, aber Johanna ließ niemals Gefühlsausbrüche zu.
Margitta glaubte, Johanna werde über kurz oder lang herbe Enttäuschungen erleben, wenn sie diese Lebenseinstellung beibehielte. Deshalb wünschte sie sich, die Freundin würge sie oder attackiere sie mit dem Pompadour, sollte sie es wagen, Stetten als Auserwählten in Betracht zu ziehen.
Johanna schaute geradeaus, reckte das Kinn vor und sagte voller Überzeugung: „Ich würde es Christian von Stetten reichen!“
Ihr Tonfall ließ keine Widerrede zu und Margitta strahlte.
„Na also, geht doch!“
Johanna konnte mit der prompten Feststellung ihrer Freundin zwar nichts anfangen, aber sie stellte erleichtert fest, Margitta schmolle weder noch mache sie Anstalten, an ihrer Entscheidung herumzumäkeln. Sie schien sich einfach nur zu freuen.
„Wir treffen Sie bei bester Laune, meine Damen. Ich gehe davon aus, Ihnen gefällt, was das Meer zu bieten hat.“
„Über alle Maßen, mein lieber Trebbow. Doch einen Mangel hat die Angelegenheit. Das Baden produziert einen schrecklichen Appetit.“ Wie zur Bestätigung knurrte Margittas Magen und seine beachtliche Lautstärke löste allgemeine Heiterkeit aus.
„Dem kann abgeholfen werden. Ich lade zu einem herzhaften zweiten Frühstück ein. Wie Sie fraglos wissen, folgen wir damit den ärztlichen Empfehlungen. Kommen Sie, Mademoiselle, lassen Sie uns hinauf in das neue Gesellschaftshaus gehen.“ Trebbow bot Margitta den Arm. Er verließ sich darauf, Johanna bliebe nicht ohne Begleitung zurück. Beide Pärchen nahmen Elvira in ihre Mitte und so näherte sich die kleine Gesellschaft in breiter Front dem Empfangs- und Gesellschaftshaus, das etwas schräg zum
Weitere Kostenlose Bücher