Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Küstenverlauf erbaut worden war.
„Wie gefällt Ihnen Severins neue Schöpfung“, fragte Stetten, ohne jemanden direkt anzusprechen.
„Nun, ich denke, der Bau hätte auch Baiae geziert, wo sich Kaiser Augustus so gern von seinen vielen Feldzügen erholt hat.“ Elviras Ausflug in die Antike löste Erstaunen, aber auch Zustimmung aus.
„Sie haben recht, Demoiselle Engelmann, die prachtvoll aufsteigenden Säulen, die darüber gespannte Attika mit dem flachen Dreiecksgiebel darauf erinnern tatsächlich an Bilder aus dem alten Römischen Reich. Sogar Ihre Anspielung auf die Bestimmung der Thermen finden wir hier bestätigt, damit meine ich selbstverständlich die Anwesenheit unseres vielgeschätzten Fürsten Blücher. Zum anderen waren die römischen Pendants zum Heiligen Damm eher Herbergen des Lasters und der Freude.“ Trebbow brach unvermittelt ab, seine Ohren färbten sich feuerrot.
Margitta bemerkte es sofort und fragte erbarmungslos nach: „Nun haben Sie davon angefangen, es bleibt Ihnen nicht erspart, uns auch den Rest Ihrer vermutlich pikanten Geschichte zu erzählen.“
Aller Augen, außer die engelmannschen, denn die blickten vorwurfsvoll, richteten sich erwartungsvoll auf Trebbow, der einsehen musste, sich den Rückzug selbst abgeschnitten zu haben.
„Nun ja, die Pikanterie, wie Sie es auszudrücken belieben, steckt allein in dem einen Satz: balnea, vina, venus corrumperunt corpora nostra, sed vitam faciunt. balnea, vina, venus.“
„Wenn Sie sich unbeliebt machen wollen, ersparen Sie sich ruhig die Übersetzung“, bemerkte Margitta spitz, die ihren Lateinlehrer lieber von hinten als von vorn gesehen hatte.
Trebbow lächelte. „Wie könnte ich mich einer solchen Gefahr aussetzen, meine Teuerste.“ Er ergriff Margittas Hand und küsste sie. „Es bedeutet: Die Bäder, die Weine, die Liebe, sie ruinieren unsere Körper, aber sie machen das Leben aus. Die Bäder, die Weine, die Liebe. Sie sehen also, die alten Römer wussten zu leben.“
„Und zu lieben“, ergänzte Margitta.
Die Unbefangenheit des Mädchens machte Demoiselle Engelmann nervös. Sie bereute, die Antike als Thema eingeführt zu haben. Und als man dem Gesellschaftshaus so nahe war, dass die Inschrift in der Attika lesbar wurde, startete sie ihr Ablenkungsmanöver.
„Sagen Sie, Rittmeister von Trebbow, da sie sich so vorzüglich in Latein auskennen, können Sie uns bestimmt den Sinnspruch dort oben näherbringen.“
Trebbow verneigte sich in Elviras Richtung und blieb stehen, so dass auch alle anderen innehielten.
„Gern, Demoiselle Engelmann. Von Herrn Landbaumeister Severin, der übrigens ein brauchbarer Gesprächspartner ist, wenn es um Kunst und Architektur geht, kenne ich sogar den Verfasser der Inschrift. Sie entstammt der Feder Professor Huschkes, der an der Universität zu Rostock griechische Literatur lehrt und dort vor einigen Jahren zum Professor der Beredsamkeit berufen wurde.“
„Spannen Sie uns nicht so unmäßig auf die Folter, lieber Herr Rittmeister. Vermutlich wandelt Professor Huschke hier unter uns und kuriert ein lymphatisches Leiden.“
Die Offiziere lachten über Margittas Einwurf.
„Ich bewundere Ihr prophetisches Talent. Der Professor ist tatsächlich Badegast, ob jedoch Ihre Diagnose zutrifft? Nun, da wage ich keine Bestätigung. Aber Sie haben natürlich recht. Ich respektiere Ihre Ungeduld und widme mich sofort der Inschrift. Dort steht nun in goldenen Lettern auf blauem Grund – HEIC TE LETITIA INVITAT POST BALNEA SANUM – was soviel bedeutet wie – hier erwartet dich Freude, entsteigst du gesundet dem Bade.“
„Bravo, wacker gesprochen. Wir wollen Professor Huschke zu Ehren in diesen Hort der Gastlichkeit einkehren, denn wenn ich nicht bald etwas zu essen bekomme, ist es mit meiner Gesundheit, trotz des Sinnspruchs, nicht gut bestellt.“
„Margitta, sei doch nicht immer so furchtbar amüsant. Du bringst Demoiselle Engelmann und mich in furchtbare Verlegenheit, weil wir dir dauernd nacheifern müssen, von Übertreffen kann gar nicht erst die Rede sein.“ Johanna lachte etwas gekünstelt.
„Oh, es liegt nicht in meiner Absicht, mich hervorzutun. Es ist mir nur peinlich, meinen Magen dauernd Reden schwingen zu hören. Ich möchte Sie auch herzlich bitten, die hinter den dorischen Säulen so überaus kunstfertig ausgeführten Reliefs erst nach dem Frühstück zu besprechen.“ Margitta bedachte alle Umstehenden mit so flehenden Blicken, die natürlich nicht eines gewissen
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