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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Blickkontakt mit dem jungen Mann, der eben noch sinnend vor sich hin gelächelt hatte. Franz setzte die überheblichste Miene auf, zu der er fähig war, um so seiner abgrundtiefen Abneigung Ausdruck zu verleihen.
    Der junge Mann reagierte prompt. Das Lächeln erstarb und tiefes Erschrecken flackerte über seine Züge. Franz glaubte schon, doch etwas zu grob gewesen zu sein.
    Sei es drum, dachte er, soll der Geck sich doch einen Gleichgesinnten für seine Vorlieben suchen und seine lüsternen Blicke nicht an mir verschwenden!
    Die Fronten schienen klar abgesteckt und man wendete sich voneinander ab. Franz musste sich nur noch eine passende Ausrede einfallen lassen, damit er mit dem gewichtigen Herrn und seinem vermutlich so ganz anders gearteten Sohn nicht ein weiteres Mal das Dampfbad teilen müsse.
    Plötzlich kam ihm ein absurder Verdacht. War er vielleicht zufällig in einen geheimen Sodomitentreff geraten, der nur unter einschlägig Informierten bekannt war? Franz sah sich unauffällig um, während er zur Abschreckung herzhaft in eine rohe Zwiebel biss. Der scharfe Saft trieb ihm Tränen in die Augen. Bloß nicht mit den Zwiebelfingern über die Augen reiben, dachte er und fand sich erst einmal mit dem verschleierten Blick ab.
    Nein, beruhigte er sich, die Gäste erweckten nicht den Eindruck, in der nächsten Minute mit eindeutigen Absichten über ihn herfallen zu wollen. Dann erinnerte er sich einigermaßen erleichtert an das Gespräch mit dem Fischesser, in dem auch eine Gemahlin vorgekommen war. Doch Franz verstieg sich schon wieder in Zweifeln, als ihm unerwartet das Boudoir von Madame Luynes in den Sinn kam. Er dachte daran, wie er im üppigen Bett seiner Liebsten verbotene Lektüre verschlungen hatte, die der Feder von Marquis de Sade entstammte. Madame Luynes, eifrige Sammlerin und natürlich auch Leserin frivoler Schriften, wusste auch einige pikante Details aus dem Leben des Verfassers von „120 Tage von Sodom“ oder „Die neue Justine“ zu berichten. Demnach tobte sich der Marquis nicht nur mit der Feder aus, sondern lebte in exzessivem Stil, obwohl er eine Gattin sein Eigen nannte, die ihn geradezu vergötterte. Eine Ehe war demnach keine probate Methode, Sodomie auszuschließen. Wegen solcher Praktiken war de Sade gemeinsam mit seinem Diener zum Tode auf dem Schafott verurteilt worden. Erschwerend kam freilich der Tatbestand hinzu, dass dem Marquis von seinem hilfreichen Diener vier Prostituierte zugeführt worden waren, die er zu allem Überfluss auch noch mit drogenversetzten Pralinen berauscht hatte. Der Abend soll, wenn Franz Madame Luynes’ Quellen vertrauen konnte, damit geendet haben, dass de Sade die Prostituierten mit einer neunschwänzigen Katze geschlagen, von den Misshandelten aber in gleicher Weise bearbeitet worden sei.
    Das Fass zum Überlaufen brachte jedoch erst Folgendes: de Sade soll die Frauen gezwungen haben, dem Liebesakt der Männer beizuwohnen, was die engagierten Damen wiederum veranlasst hatte, die Sache zur Anzeige zu bringen. Zudem litten sie am Tage nach der ereignisreichen Nacht unter starken Leibschmerzen, und machten die vergifteten Pralinen dafür verantwortlich. Zwar entzog sich der Marquise für diese Missetat noch erfolgreich der Verhaftung und dem Richtblock, dennoch verbüßte er 31 Jahre seines immerhin 74 Jahre währenden Lebens hinter Gefängnismauern oder diversen Irrenanstalten. Er soll sogar den Sturm auf die Bastille ausgelöst haben, weil er der aufgebrachten Menge vor der Festung zugerufen haben soll, Gefangene des Königs befänden sich gerade im hochnotpeinlichen Verhör.
    Mir reicht es, dachte Franz, mag es auch wie Flucht aussehen. Und widerstrebend gestand er sich ein, dass es tatsächlich eine Flucht war, dennoch drängte es ihn mit unbändiger Macht aus dem gastlichen Haus, obwohl noch einige Schwitzgänge ausstanden. Die verwunderte Frage des Schnauzbärtigen zu dem überstürzten Aufbruch beantwortete Franz mit einer haarsträubenden Erklärung, dass ihm vor der eigenen Phantasie schauderte.
    Schließlich stand er auf der Straße. Selbst die allabendlichen Verkaufsaktivitäten der Fischerfrauen, die auf den Straßen des Hafenviertels den noch zappelnden Tagesfang ihrer Männer mit lautstarken Wortmeldungen wie: „Hiering, Dösch, Makreeln“, zum Kauf anboten, konnten ihn nicht von der eben erlittenen Schmach ablenken. Vertrieben von einem zartgliedrigen Jüngelchen, dessen Gehabe ihm tatsächlich einen Mordsschrecken eingejagt hatte, und

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