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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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von einer Herrengesellschaft, die ihm plötzlich suspekt erschienen war, stapfte Franz mit Wut im Bauch davon.
    Vor allem war er wütend auf sich selbst. Was war schon geschehen? Niemand war ihm zu nahe getreten, von den Blicken des Sodomiten einmal abgesehen. War er nicht mehr Manns genug, sich auch solcher Angriffe zu erwehren? Woran lag es, dass er sich in Rostock beständig unsicher fühlte?
    Im Grunde genommen wusste er es längst: Die Welt außerhalb des Militärs war ihm fremd geblieben. Hier strebte nicht alles in ein und dieselbe Richtung. Hier musste jeder eigene Ziele ausloben, ohne den besten Weg zu kennen.
    Ihm fehlte der Umgang mit Gleichgesinnten, der ihm von Kindesbeinen an vertraut war. Er kannte Stärken wie Schwächen sämtlicher Offiziere, in deren Gesellschaft er täglich der eigenen Pflicht nachkam. Bislang hatte er in einer für selbstverständlich genommenen Gemeinschaft von Männern gelebt, die ein Ziel einte, nämlich Dienst für König und Vaterland. Bedingungsloser Gehorsam war der Preis für die Sicherheit einer annähernd vorherbestimmten Offizierslaufbahn.
    Franz blieb unvermittelt stehen und starrte auf das Pflaster zu seinen Füßen.
    War es nicht auch so eine Art Befehl, das Treiben von Sodomiten als unmoralisch und pervers zu verurteilen? Bisher hatte Franz eine solche Verurteilung für rechtens gehalten und die Überzeugung, Gesetz und Moral auf seiner Seite zu haben, hatte ihm schnell über die eigene Bestürzung hinweggeholfen.
    Das erschrockene Gesicht des jungen Mannes tauchte vor seinem geistigen Auge auf und in seinem Herzen spürte er es, seinen Bewunderer mit Geringschätzung, ja, Verachtung verletzt zu haben. Was, wenn der sonnabendliche Dampfbadbesuch tatsächlich so eine Art Fleischbeschau für die „Herren vom anderen Ufer“ war? Er erwog die beunruhigende Möglichkeit, ob er dann nicht selbst der eigentliche Eindringling war, der die Rituale und Anbahnungsversuche als Außenstehender gestört haben könnte. Franz hatte plötzlich einen schalen Geschmack auf der Zunge. Der Glaube, er habe seine Unschuld verteidigen müssen, verlor sich und der Funke des Triumphes erlosch mit einem Zischen. Ebenso zischte sein schlechtes Gewissen ihm ins Ohr und stellte unbequeme Fragen: „Warum bist du nicht fähig, gelassen zu reagieren? Und warum ist es so schwer, ein Missverständnis aufzuklären?“
    Franz wusste keine Antworten.
    Verdrossen nahm er seinen Weg wieder auf.
    Für meine Ermittlungen wäre es um ein Vielfaches hilfreicher gewesen, wenn ich den jungen Mann zu seiner Tätowierung befragt hätte. Vielleicht hätte meine Aufmerksamkeit ihm geschmeichelt und er hätte mir etwas Wichtiges anvertraut, warf er sich vor.
    Je länger er darüber nachdachte, eine einmalige Gelegenheit vertan zu haben, umso mehr steigerte er sich in seinen Ärger um das eigene Versagen hinein.
    Sein Gesicht musste zu seiner Stimmung gepasst haben, er bemerkte, wie eine Frau die Straßenseite wechselte.
    So weit ist es mit mir gekommen, dachte er grimmig, sogar Frauen haben Angst vor mir.
    Solcherlei Ablehnung war er nun mal nicht gewöhnt, wo ihm in aller Regel die Sympathien der holden Weiblichkeit mit Leichtigkeit zuflogen. Sofort probierte er seinen verloren geglaubten Charme aus und grüßte lächelnd hinüber zur anderen Straßenseite, wobei er nicht vergaß, den Hut etwas weiter zu lüften, als es die gute Sitte verlangte. Das Ergebnis wäre durchaus ermutigend gewesen, wenn er nicht den eigenen Maßstab angelegt hätte. Die Miene der Dame hatte sich lediglich aufgehellt und ihr haubenverzierter Kopf so etwas wie ein Nicken angedeutet.
    „Verdammt“, fluchte Franz zerknirscht, „mit so einer Kondition kann ich Frau Doktor Charlotte Ahrens unmöglich unter die Augen treten.“
    Unter solchen und ähnlich ernüchternden Betrachtungen zu seiner Ausstrahlung erreichte Franz sein Quartier. Er rüstete sich mit dem Bukett für die Gastgeberin aus und befühlte im Treppenhaus ein weiteres Mal die Brusttasche seines Rockes. Die Briefe waren noch an Ort und Stelle. Vielleicht ergäbe sich am Abend eine Gelegenheit, hinter den tieferen Sinn zweier Mitteilungen zu gelangen, die zu Franz’ großer Enttäuschung wieder in Latein verfasst worden waren. Leider erweckten sie nicht den Anschein, Licht in das Dunkel von Johanns Liebesbeziehung zu bringen. Der dritte Brief entstammte der Schreibstube des Rektors der Universität und enthielt nur den bereits bekannten Fakt, dass Johann eine Möglichkeit

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