Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Glücklicherweise bemerkte sie nicht, nur Mittel zum Zweck zu sein. Sie kokettierte sogar mit der kleinen Entführung und klimperte etwas zu oft mit den Wimpern.
Franz’ Gedanken wollten sich nicht lenken lassen. Ihm brach der kalte Schweiß aus. Er zog ein Tüchlein hervor und betupfte seine Stirn, möglichst unauffällig selbstredend.
Für Frau Witte war dies Anlass, sich über die Gott sei Dank nur zwei Tage andauernde Hitze auszulassen. Dabei bedauerte sie die Männer aufrichtig, die sich auch bei allergrößter Hitze mit Weste, Rock und Hut ausstaffierten.
Franz nickte beifällig und suchte mit den Augen nach Ernst, dem er eine äußerst wichtige Frage stellen musste. Kurz darauf schaute der Gesuchte forschend in den Nebenraum und als er Franz sah, huschte ein Lächeln über sein Gesicht.
„Ah, hier bist du“, stellte er zufrieden fest. „Es hat sich noch jemand eingestellt, der dich unbedingt kennenlernen möchte.“ Ernst winkte dazu einem beleibten Herrn. „Darf ich die Herren miteinander bekannt machen, Herr Köster, seines Zeichens Kaufmann und Weinhändler und ...“, Ernst machte eine bedeutungsvolle Pause und hob seinen Zeigefinger in die Höhe, „mein hochverehrter Schwiegervater, dem ich unter anderem meinen guten Start hier in Rostock verdanke.“
Ernst strahlte, er war in zu ausgelassener Stimmung, als dass ihm die neuerliche Schweißperlenflut auf Franz’ Stirn aufgefallen wäre. An Köster gewandt fuhr er fort: „Mein lieber Schwiegerpapa, vor dir steht Premierleutnant Franz von Klotz. Er ist persönlich bekannt mit Fürst Blücher“, setzte er hinzu, um der Großartigkeit seiner Bekanntschaft noch etwas mehr Glanz zu verleihen. Franz hoffte inständig, Köster entlarve ihn nicht sofort als ungehobelten Klotz, im Moment amüsierte ihn das Wortspiel keineswegs. In Ernsts Schwiegervater hatte er niemand anderen als den väterlichen Begleiter des tätowierten Dampfbadbesuchers vor sich.
„Ernst, sei so gut und übernimm den Part unseres jungen Freundes hier“, sagte Köster, dabei verneigte er sich gegen die Apothekergattin, beugte sich über ihre würdevoll dargebotene Hand, behielt sie sogar noch ein wenig in der seinen und tätschelte sie vertraulich. Jedoch Frau Witte sollte die Zuwendung völlig missverstehen.
„Ich möchte Herrn Leutnant ein paar Fragen stellen, die eine Dame gewiss langweilen“, erklärte der Weinhändler mit Gewicht in der Stimme.
Frau Witte und Franz sahen Köster mit großen Augen an, schließlich war es nicht üblich, eine Dame auf so plumpe Art und Weise auszuladen. Franz bewunderte Frau Witte, wie gut sie den Affront überspielte.
Also dürften die „paar Fragen“ brisant sein, so brisant, dass sie rüde Methoden rechtfertigten. Eventuelle Zuhörerschaft war nicht genehm.
Köster wartete, bis sein verdatterter Schwiegersohn mit der konsternierten Frau Witte am Arm verschwunden war. Dann wendete er sich an Franz, dem nichts Besseres einfiel, als erst einmal einen großen Schluck Wein durch seine Kehle rinnen zu lassen. Zu Franz’ Verwunderung setzte Köster ein liebenswürdiges Lächeln auf.
„Was sagen Sie zu dem Tropfen?“, fragte er, ganz Weinhändler.
Franz meinte, etwas Lauerndes in Kösters Blick auszumachen. Er tat so, als ob er den durchaus angenehmen Nachgeschmack des Weißweins angelegentlich prüfe. Kurz darauf stellte er jedoch alle Bemühungen ein, sich als Weinkenner aufzuspielen.
„Ich will ehrlich sein, Herr Köster, ich kenne mich zu wenig mit solchen Dingen aus. Mein Urteil hätte keinerlei Wert für Sie“, sagte er tonlos. Innerlich bereitete er sich auf den tatsächlichen Angriff vor, der bestimmt nichts mit alkoholischen Getränken zu tun hatte. Er nahm die Schultern zurück und schaute dem älteren Mann in die Augen. Niemand sollte glauben, er hätte Angst vor einer Auseinandersetzung.
„Ich frage nur, ob Sie an dem Wein Gefallen finden?“, fragte Köster, nach wie vor die Liebenswürdigkeit in Person.
Also doch noch einmal Alkohohl, dachte Franz; wann kommt er endlich zum eigentlichen Thema?
Er zog die Brauen hoch, ein untrügliches Zeichen dafür, nicht recht zu wissen, worum es geht.
„Gut, dann bringe ich die Sache auf den Punkt“, fand Köster sich bereit, „Preußen ist stark! Preußen hat neue Provinzen hinzugewonnen. Deshalb ist es für mich außerordentlich wichtig, neue Handelskontakte im nunmehr preußischen Rheinland zu knüpfen. Dort werden die meisten Sorten gehandelt, die ich hier im Norden mit
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