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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Fleisch besagten Fisches langte. Zugegeben, Heilbutt war auch für Franz eine seltene Delikatesse. Seefisch gab es in der Garnison in Preußens Provinz Brandenburg nur in Form des ungeliebten Stock- oder Dörrfisches oder als obligatorischen Salzhering. Weshalb Franz hier in Rostock keine Gelegenheit ausließ, frisch zubereiteten Seefisch zu essen.
    Franz drehte dem Geschehen am Büfett den Rücken zu. Er machte es sich auf einer Pritsche bequem, gab sich dem eigentlichen Anliegen des Ruheraumes hin: der Entspannung. Er wollte gerade die Augen zu einem Nickerchen schließen, als ihm etwas auffiel, das ihn hellwach werden ließ. Als Soldat hatte er jedoch gelernt, sich auf Beobachtungsposten niemals durch ruckartige Bewegungen zu verraten. Scheinbar vor sich hin träumend – mit halb geschlossenen Lidern – blieb er auf der Pritsche liegen, obwohl es in seinem Innern zu brodeln begann. Sein Herzschlag beschleunigte sich.
    Er fasste den schlanken jungen Mann ins Auge, den er sofort als Mitinsasse seines ersten Saunaganges wiedererkannt hatte. Doch weder dessen Gesicht, schmale Gestalt noch die Äußerungen des Burschen hatten Franz’ Aufmerksamkeit erregt. Ihn fesselte etwas anderes. Für einen kurzen Moment war dem jungen Gast der lange Zipfel seines Badetuchs von der Schulter geglitten. Er hatte mit seiner rechten Hand hinaufgelangt in eine Etagere, auf der Obst angerichtet worden war. Die Frucht seiner Wahl hatte ganz oben gelegen. Franz meinte, ein annähernd kreisförmiges Mal oder aber eine Tätowierung am Oberarm des jungen Mannes gesehen zu haben. Der Beobachtete warf das ergatterte Obst, vielleicht war es auch eine Tomate, mit der rechten Hand in die Höhe, fing die Frucht schließlich geschickt mit der linken auf. Dort beließ er sie und verspeiste sie in aller Ruhe. Sein Badetuch warf er sich mit elegantem Schwung über die Schulter.
    Franz beherrschte sich, obwohl er nichts lieber getan hätte, als augenblicklich von der Pritsche zu springen, sich den jungen Kerl zu greifen und ihn zur Polizei zu zerren. Jedoch was bewiesen eine Tätowierung und eine in der linken Hand verzehrte Tomate?
    Ein Berufskollege des Schnauzbärtigen erschien und bat die nächste Herrengruppe zur Sitzung. In ihre Einheitsgewänder gehüllt folgten die Männer der unerbittlichen Aufforderung. Wie verurteilte Delinquenten – nämlich mit hängenden Schultern und gesenkten Köpfen – zogen sie aus. Der Marsch ohne Tritt weckte so etwas wie Mitleid unter den Zurückgebliebenen. Sich wohlig gruselnd, den Strapazen der Schwitzkur noch für eine Weile entkommen zu sein, kam das zuvor ins Stocken geratene Gespräch wieder in Gang.
    Franz’ Aufmerksamkeit war mit dem Auszug eines Teils der Gäste abgelenkt worden. Als er sich auf seinen Posten zurückzog, bemerkte er, nunmehr selbst und ausgerechnet von seiner Zielperson, beobachtet zu werden. Allein der Umstand war beunruhigend, jedoch der Ausdruck des Tätowierten irritierte ihn um vieles mehr. Der junge Mann hatte ihn nicht mit einem gleichgültigen oder berechnenden Blick gestreift. Nein, sein Gesicht geriet geradezu in Verzückung, als seine Augen Franz’ Körper Zoll für Zoll abtasteten. Franz stellten sich die Nackenhaare auf.
    Er erinnerte sich schlagartig der Geschichten, die immer dann unter Offizieren kursierten, wenn bekannt geworden war, langjährig gepflegte Kameradschaft habe in sogenannten Exzessen gegipfelt. Franz wusste, was mit der fein säuberlichen Umschreibung gemeint war. Sodomie kam unter Soldaten öfter vor.
    Seit Friedrich dem Großen erlaubte es sich kein Kriegsherr mehr, die von Kirche und Gesellschaft als unmoralisch und gotteslästerlich eingestuften Praktiken mit Todesstrafen auszurotten. Den Kriegsherren war ein Soldatenleben zu kostbar geworden, als dass Sodomiten wegen verbotener sexueller „Perversitäten“ mit Kameraden dem Schafott preisgegeben wurden. Nein, es war doch um vieles geschickter, die Ertappten den andauernden Gemetzeln der ungezählten europäischen, als auch überseeischen Schlachtfelder zuzuführen.
    Doch Franz weilte auf keinem Schlachtfeld, wo er den Säbel zu seiner Verteidigung hätte blankziehen können. Er lag, nur mit einem Badelaken bekleidet, ausgebreitet auf einer Pritsche, dabei den begehrlichen Blicken eines Sodomiten ausgesetzt.
    Welch haarsträubender Gedanke!
    Zu den aufgerichteten Nackenhärchen gesellte sich Gänsehaut. Die Situation war ihm unerträglich geworden. Er stand auf und provozierte mit seiner Bewegung

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