Weisse Haut - Schwarze Haut
wohnte bei
Agnes. Er wollte am nächsten Tag Weihnachtsgeschenke einkaufen und noch einige
andere Dinge besorgen, die Eve benötigte. Er hatte keinem gesagt, wo er
hingefahren war, nur dass er weg wollte. Es sollte eine Überraschung für alle
werden, besonders für Eve. Diese Frau faszinierte ihn mehr als ihm lieb war.
Er bummelte über die Delamere Avenue und die Goverment
Road. Wie viele Menschen sich hier inzwischen tummelten, dachte er dabei. Als
er das erste Mal in der Stadt war, gab es das nicht so, war alles wesentlich
ruhiger und beschaulicher gewesen. Die Rassenvielfalt war erstaunlich, die
Armut war unübersehbar. Überwiegend Männer in zerlumpter, schmutziger Kleidung,
teilweise barfuß gammelten herum, saßen am Straßenrand, völlig teilnahmslos,
wie es schien. Auf der Farm gab es auch viele Leute, aber sie hockten nicht so
dicht beieinander. Im gefiel das veränderte Nairobi nicht sonderlich. Nur die
Bevölkerung wuchs und damit auch solche Städte wie Mombasa, Nairobi, Malindi,
Kisumu. Eventuell auch Nakuru und Nyeri. Er musste noch genauer darüber
nachdenken, aber das könnte eine zusätzliche Quelle werden, um in einigen
Jahren weiteres Geld zu verdienen.
Nachdem er sich etwas frisch gemacht hatte, suchte er den
Muthaiga-Country-Club auf. Er war schon lange nicht dort gewesen, aber heute
wollte er zum Abschluss des Tages etwas trinken.
Der Muthaiga-Country-Club wurde am Silvesterabend 1913 für
die damalige Elite der Gesellschaft von British East Africa eröffnet. Hier
verkehrten Siedler, wenn sie in der Stadt waren, Sie tauschten Meinungen und
Erfahrungen aus. Einige kamen, um Lieferungen abzuholen, die dort ein anderes
Mitglied deponiert hatte. Andere erschienen um ihr Leid nach dem jüngsten
Missernten, Rinderseuche, Dürren oder Hochwasser zu ertränken. Man stritt sich
über Politik, lästerte über Nachbarn. Zwischen den beiden Weltkriegen hatte die
britische Kolonie den Ruf, eine exklusive Spielwiese für einige wenige
Privilegierte zu sein. Das war falsch, da die meisten Club-Mitglieder hart
arbeitende Siedler waren, die die täglichen Herausforderungen überstehen
mussten. Es gab die tropischen Krankheiten, Ärger mit den wilden Tieren, kranke
oder zertrampelte Pflanzen, der Befall der Rinderseuche und mehrjährige Dürren
oder Überschwemmungen, oder nur die kontinuierliche Anstrengung, um zu
überleben. Mit dem Zweiten Weltkrieg zogen dunkle Wolken über den Club auf.
Zahlreiche Mitglieder wurden zum Wehrdienst eingezogen und viele von ihnen
kehrten nie zurück. Nach dem Krieg ging alles wie gewohnt weiter.
Die Geschichte des Muthaiga-Country-Clubs hat eigentlich
in vielerlei Hinsicht Parallelen, zu den letzten vierzig Jahren in der
britischen Kolonie, dachte William, als er auf seinen Gin wartete und sich
umschaute. Hier konnten sich die Weißen wie die Herren, die Mabwana aufführen,
große Reden schwingen, sich lautstark über die Schwarzen auslassen. Es gab
viele Geschichten um den Club und nur wenige wussten, was daran Wahres war. Dem
Muthaiga-Country-Club sagte man eine Art Paradies für diejenigen, die in den
hedonistischen Streben nach Vergnügen schwelgten. Er bot Zerstreuung vom
Alltag. Man fand Menschen für die Beteiligung an aufrührerischen Parteien. Hier
wurde der zügellosen Untreue und dem Alkoholismus kräftig zugesprochen.
Angeblich wurden sogar Mordpläne geschmiedet. Ja, hier verkehrte schon eine
merkwürdige Gattung Weißer: Eingebildet, dekadent und teilweise weit entfernt
von der Realität lebend. Männer, die er eigentlich nicht mochte.
Der Club hatte etwas Maskulines fand er und das gefiel
ihm. Heute, mitten in der Woche war der Club nur mäßig besucht und nach einem
zweiten Gin verließ auch er die Räumlichkeiten. Wie immer musste er nur
unterschreiben, da man als Mitglied eine Abrechnung bekam. Bargeld kannte man
in diesen Räumlichkeiten nicht.
Vormittags fuhr er einkaufen und am Nachmittag weiter nach
Nyeri. Er wollte dort noch eine schöne Nacht bei seiner Freundin verbringen.
Alice Baker freute sich und begrüßte ihn gut gelaunt und er genoss nicht nur
ihr gutes Essen, ihre Fröhlichkeit, die entspannte Atmosphäre.
Morgens gab er ihr das Weihnachtsgeschenk schon vorab und
sie fiel ihm freudestrahlend um den Hals. Trotzdem freute er sich darauf, nach
Hause zu fahren.
*
M arvin erschien Anfang Januar, und als er dessen
Gesicht erblickte, wusste William, dass abermals etwas geschehen war. Gerade in
den letzten Monaten hatte er den
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