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Weiße Nächte, weites Land

Weiße Nächte, weites Land

Titel: Weiße Nächte, weites Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Sahler
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diesen Monaten säte und pflanzte, gedieh. Allein die darauffolgende große Dürre im Juli und August, wenn sich kaum eine Wolke am Himmel zeigte, zerstörte vieles wieder.
    Die meisten Gewächse reiften in kurzer Zeit, so dass Gärten und Felder im Juni schon ein Herbstkleid trugen, wie man es aus der Heimat kannte. Die ertragreichsten Ernten erzielte man mit Melonen, Gurken und Zwiebeln.
    Zwar hatten die Herrnhuter Versuche mit der Viehzucht unternommen, aber die billiger arbeitenden und verkaufenden Nomadenvölker kamen ihnen in die Quere. Also beschlossen sie, sich zur Bestreitung des Lebensunterhalts hauptsächlich auf den Ackerbau zu spezialisieren.
    Die Felder wurden in der Nähe der für die Mühlen gestauten Sarpa angelegt, um sie regelmäßig bewässern zu können. Der bei den Kalmücken äußerst begehrte Tabak gedieh vortrefflich.
    Die Brüder verarbeiteten und verkauften ihn in eigenen Manufakturen und Läden.
    Neben Tabak wurde in den Gärten Gemüse und Obst gezogen und Wein angebaut, die Anpflanzung von Bäumen als Schattenspender diente auch zur Verschönerung des Ortes.
    Sarepta stellte eine grüne Oase inmitten der farblosen Steppe dar, ein Abbild des Gartens Eden, den die Kolonisten anzutreffen gehofft hatten. Nur zu gerne wäre Anja einmal in den schattigen Gärten und Alleen gewandelt, um sich selbst ein Bild davon zu machen, was man mit eigenen Händen zu schaffen vermochte.
    In Sarepta florierte auch das Gewerbe, wie Bernhard erzählte. Manches steckte noch in der Entwicklung, aber man erkannte jetzt schon, welch blühendes Zentrum der Ort eines Tages sein würde. Den Anfang machte eine Lichtgießerei, danach folgten eine Branntweinbrennerei und eine Bierbrauerei, deren Erzeugnisse allerdings nur im Ort selbst verbraucht werden durften. Außerdem solle es, wie Bernhard Anja mit einem verschmitzten Lächeln erzählt hatte, demnächst eine Apotheke in Sarepta geben, was natürlich ihre Begeisterung für diesen Ort beflügelte.
    Genauso neugierig wie Anja lauschten auch die anderen Waidbacher bei den wöchentlichen Versammlungen Bernhards Berichten. Ja, es war ein kraftspendender Traum, eines Tages in einem solchen Paradies zu leben. Aber wie viel Schweiß, wie viel Tränen würde es noch kosten? Und wie viele Bewohner würden vor Verzweiflung und Erschöpfung aufgeben? Nicht alle waren kräftig, kerngesund und jung wie Bernhard oder Matthias …
    Während Anja nun Schulter an Schulter mit Bernhard vor dem Feuer saß, Lambert zwischen den Ohren kraulte und auf das in weiter Entfernung vernehmbare Heulen eines Wolfes horchte, kam ihr wieder die Herrnhuter Apotheke in den Sinn. »Gewiss gehören zu den Brüdern studierte Apotheker genau wie Ärzte, nicht wahr?«, fragte sie.
    Bernhard nickte. »Wenn ich morgen zu ihnen reite, will ich sie bitten, einmal im Monat einen Arzt zu uns zu schicken. Und was die Apotheke betrifft …« Er wandte sich zu ihr und fasste unter ihr Kinn, und diesmal überwand sich Anja, hob den Kopf, schaffte es, nicht wegzuschauen. Ein Hauch von Trotz glomm in ihrem Blick und dahinter blanke Angst, aber Bernhards Lächeln ließ sie sich entspannen. Ihr Herz flog ihm zu, während sich ihre Gesichter einander näherten.
    »Vielleicht«, flüsterte Bernhard dicht an ihrem Mund, »vielleicht kehre ich in ein paar Tagen mit guten Neuigkeiten heim. Vertrau mir, Anja.«

29. Kapitel
    D ie Sommerhitze hatte ihren Höhepunkt überschritten, die Felder waren leer, die Ernte eingebracht. Es war Ende August, als Anja Eyring aufbrach, um in die sagenumwobene Sarepta-Kolonie überzusiedeln.
    Ein bewaffneter Trupp von fünf Kolonisten, unter ihnen Bernhard und Matthias, begleitete die junge Frau, die auf ein sandhelles Kalmückenpony aufsaß und sich die Kapuze des Leinenkaftans ins Gesicht zog.
    Eleonora trat zu ihr, drückte lächelnd ihre Hände. »Ich wünsche dir Glück, Anja«, sagte sie leise zum Abschied. »Wir werden dich vermissen an den Winterabenden vor dem Ofen.«
    Anja erwiderte ihr Lächeln. »Danke, Eleonora. Ich werde wiederkommen, das verspreche ich. Und ich werde helfen, aus unserer Kolonie Waidbach einen blühenden Ort zu machen.«
    »Ja, das wirst du«, sagte Eleonora. »Ich freue mich darauf.«
    »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Eleonora.« Anja beugte sich herab, die Augen von der Kapuze beschattet. »Franz hat die Hüttentür verrammelt. Kannst du ihm ausrichten, dass ich in Sarepta einen Pfarrer bitten werde, unsere Ehe zu annullieren?«
    Eleonora

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