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Weiße Nächte, weites Land

Weiße Nächte, weites Land

Titel: Weiße Nächte, weites Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Sahler
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kauerte und mit einem Stöckchen einen schwarzlila schillernden Käfer untersuchte, der vor ihren Füßen über das dürre Gras krabbelte.
    Die Kolonisten verfolgten zahlreiche Ideen und Pläne, um den Handel im Dorf in Schwung zu bringen. Tabak, Wein, Seide …
    Irgendwie musste es weitergehen.
    Sonst waren sie verloren, wenn die Zahlungen der Krone ausblieben und die ersten Forderungen nach Rückzahlung des Vorschusskapitals eintrafen.
    Aus dem angrenzenden Stall vernahm Eleonora das Gackern der Hühner, und sie hörte Klaras silberhelles Lachen, während sie das Geflügel fütterte. Dann ein anderes Lachen, etwas tiefer. Sebastian, der ein Zimmer bei Veronica und Anton bewohnte, war wieder einmal zu Besuch.
    Eleonora hatte nichts dagegen, dass der Junge sich häufig hier aufhielt – offenbar mochte er genau wie Klara Tiere gern und half beim Füttern der Ponys, Rinder und Hühner und beim Ausmisten der Ställe.
    Es beruhigte Eleonora zutiefst, dass gerade Klara sich so gut eingelebt hatte. Ihre ganze Fürsorge galt den Tieren. Wenn ein Kälbchen geboren wurde, standen Klara Tränen in den Augen vor Glück.
    Dass sie sich mit Sebastian angefreundet hatte, hielt Eleonora ebenfalls für ein gutes Zeichen. Auf jeden Fall war ihr diese Kameradschaft lieber als die zu der älteren Helmine, die meist mit verschlossener Miene herumlief, als heckte sie hinter der gerunzelten Stirn eine weitere Gemeinheit gegen die Mutter oder den Bruder aus.
    »He, Eleonora!«
    Gerade als sie mit Sophia in die Hütte trat, sprach sie jemand an, der ihr offenbar gefolgt war. Eleonora fuhr herum. Helmine, die ihre Gedanken gerade noch getrübt hatte. Der weißblonde Haarkranz umgab ihr Gesicht wie ein Heiligenschein. Eleonora bemühte sich um eine erfreute Miene. »He, Helmine. Kommst du Klara besuchen?«
    »Ich wollte fragen, ob ihr ein Huhn erübrigen könnt. Wenn die Männer morgen den Graben ausheben … Da werden sie eine kräftige Suppe als Stärkung zu schätzen wissen.«
    »Äh … oh, ja. Natürlich. Geh nur zu Klara und lass dir eine der fetten Legehennen geben. Die eignen sich am besten für die Suppe.«
    Helmine zeigte ihre vorstehenden Zähne. »Vielen Dank! Dafür bekommt ihr ein sattes Paket Ziegenkäse im Herbst, ja?«
    Eleonora nickte. »Schon recht, Helmine. Lauf nur!«
    Auch wenn sie sich über die charakterlichen Schwächen der Base im Klaren war – die Männer zu bekochen und zuverlässig zu versorgen, darin ging Helmine auf.
    Sophia setzte sich gleich an den Tisch und griff nach dem Papier und den Kohlestiften, die Matthias stets aus Saratow mitbrachte – für sich und für das Mädchen.
    Er zeichnete die Rinder und Kamele, die auf der Steppe weideten, die Nomadenzelte, die Weizenfelder, die im Wind wogten. Er zeichnete den Hund Lambert und wie Anja ihn umarmte, er zeichnete Eleonora beim Kochen und Sophia, wenn sie auf seinem Schoß saß.
    Das Mädchen wich nicht von seiner Seite, wenn er zu Besuch kam, und ließ sich von ihm die Hand mit dem Kohlestift führen. Die schönsten Bilder der beiden schmückten Eleonoras Hütte.
    Sie genoss die Stunden mit ihm, wenn er zu Besuch kam, aber ihre Zuneigung zu ihm, die auf der Reise hierher gewachsen war, hatte sie sich aus dem Herzen gerissen. Die Wunde würde heilen. Irgendwann.
    Gegen die Einsamkeit blieben ihr diese gestohlenen Stunden, wenn Matthias trotz der harten körperlichen Arbeit am frühen Abend anklopfte, um Sophia das Zeichnen zu lehren.
    Manchmal braute Eleonora ihm Tee, stellte einen Tonteller voller Zuckerküchlein auf den Tisch und setzte sich zu ihm, um ihm zuzusehen und – wenn er sich zu ihr neigte – den Geruch nach Weizen und Sommersonne, der sich in seinen Haaren verfangen hatte, einzuatmen, um den Duft später mit in ihre Träume zu nehmen.

    Beil und Hackbrett lagen in der Scheune bereit, als Helmine den Korb öffnete, in dem sie das Huhn transportiert hatte, und mit routiniertem Griff das flatternde Tier am Hals herauszerrte. Sie summte dabei vor sich hin und wischte sich mit dem Oberarm über die Schläfe, auf der sich Schweiß von der schwülen Luft in der Scheune gesammelt hatte.
    Einen großen Topf musste sie noch ausleihen, um das gerupfte Huhn mit Suppenkraut, Möhren und Zwiebeln hineinzustopfen. Sie freute sich schon auf den würzigen Duft der köchelnden Brühe.
    Das weißgefiederte Huhn schwirrte und kreischte mit weit offenem Schnabel, die Krallen streckte es im Krampf vom Leib, der Herzschlag wummerte so heftig, dass Helmine

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