Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Emmanuel bringt das Know-how ein und organisiert vor Ort die Bauarbeiten. Alles andere erledigen die Menschen, deren Projekt es ist, selbst. Zum einen sehe ich nicht ein, dass die Spendengelder für etwas verwendet werden, was die Leute aus eigener Kraft leisten können. Und zum anderen ist die Akzeptanz und Identifikation mit einer neuen Einrichtung viel höher, wenn die Menschen selbst daran mitgearbeitet haben.
Bei unseren Projekten fließt also nie Geld an Ort und Stelle. Im Falle von Apewu konnten wir die Baumaterialien leider nur weit entfernt vom Dorf anliefern, denn es fehlt ja bis heute eine vernünftige Straße. Dann mussten die Leute den Zement Sack für Sack zwei Kilometer bis an Ort und Stelle tragen.
Wenn man für so ein Projekt nicht die Unterstützung der Menschen hat, dann kann die Sache gar nicht erfolgreich sein. Fünfzehn Lkw -Ladungen Sand mussten ebenfalls in Eimern und Schüsseln die zwei Kilometer weit transportiert werden. Zu diesem Zeitpunkt musste jeder, der diese Strecke zurücklegte, auch wenn der Anlass privat war, Sand mitnehmen. Und es funktionierte wunderbar. Denn es war das Projekt der Einwohner von Apewu und nicht das einer Hilfsorganisation. Noch nie ist es vorgekommen, dass von dem Baumaterial etwas verschwand. Grundsätzlich ist von Madamfo Ghana immer jemand vor Ort, um den Ablauf der Arbeiten zu leiten. Da jeder Dorfbewohner ja auch seiner eigenen Arbeit nachgehen muss, haben wir das inzwischen so geregelt, dass in sechs Schichten gearbeitet wird, und zwar von Montag bis Samstag, so hilft jeder einmal in der Woche mit und kann sich ansonsten um seine eigenen Geschäfte kümmern.
Inzwischen kennen die Menschen in den Dörfern unser Prozedere, und auch wenn neue Gemeinden auf uns zukommen und einen Antrag auf ein Projekt stellen, dann wissen sie bereits ziemlich genau, wie das bei uns läuft. Jeder hilft einen Tag in der Woche. So sind alle beteiligt, keiner wird ausgeschlossen, aber die Felder können weiter bestellt werden, und so ist nach Abschluss eines Projekts auch noch genug zu essen da.
Alle sind damit zufrieden, alle ziehen an einem Strang, weil sie sehen, was sie von uns bekommen, und sind mehr als bereit dazu, sich am Gelingen zu beteiligen. Dies ist vielleicht einer der wichtigsten Punkte, nämlich dass wir auf diese Weise den Menschen ihre Würde belassen und sie nicht (vollständig) zu Almosenempfängern machen. Natürlich hätten sich die Einwohner von Apewu diese Toilettenanlage aus eigener Kraft nicht finanzieren können. Aber ihre Arbeitskraft, die ja ebenfalls einen hohen Wert darstellt, haben sie mit eingebracht. Kein Wunder also, dass die Anlage seither vorbildlich instand gehalten und reihum nach einem Putzplan gesäubert wird.
Keiner kann sich vorstellen, welch eine Freude und Genugtuung es mir heute noch ist, in Apewu aufs »Örtchen« zu gehen. Dann denke ich, wie einfach es doch ist. Man muss nur etwas wirklich wollen, und es entsteht etwas, wovon andere sagten, es sei ganz und gar unmöglich. Das macht mir Mut, weitere Projekte in Angriff zu nehmen, die uns zunächst vollkommen unrealistisch erscheinen.
Damals, als ich damit beschäftigt war, dieses erste große Projekt zu verwirklichen, überraschte mich der Chief Odikro mit einem unglaublichen Angebot: In aller Form bat er mich im Namen des gesamten Dorfes, Königin von Apewu zu werden.
»Warum denn das?«, fragte ich verblüfft.
»Weil du so viel für uns tust«, war die Antwort.
Ich wusste damals bereits, dass die Aschanti neben dem Chief Odikro – das bedeutet wörtlich übersetzt: owner of the town – auch eine weibliche Führungsfigur haben: die
Queen Mother
, die vom Rang her dem Chief gleichgestellt oder sogar übergeordnet ist, da bei den Aschanti in den wichtigsten Belangen das Matriarchat gilt. Der Einfachheit halber nennt man eine
Queen Mother
wie alle Respektspersonen auch:
Nana.
Die Nana ist unter anderem dafür zuständig, den männlichen Chief zu wählen und zu beraten, sich um die Belange der Frauen in ihrem Dorf zu kümmern und Streitigkeiten zu schlichten, vor allem wenn Frauen davon betroffen sind. Nicht jedes Dorf hat eine Nana, und Apewu gehörte damals zu jenen, die vorher noch nie eine Königin gehabt hatten. Später erzählte mir der Chief, dass es die Geschichte von Stephen Owusu, dem Mann mit dem schlimmen Bein, gewesen war, die ihn tief in seinem Herzen berührt hatte. »Damals begriff ich, dass uns mit dir in unserer Mitte nichts geschehen kann«,
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