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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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meinem Charakter, mir allzu viele Gedanken zu machen, was wohl in zwanzig oder dreißig Jahren sein könnte. Keiner in Afrika tut das. Eine Eigenschaft, die mich mit den Afrikanern verbindet, ist meine Fähigkeit, voll und ganz in der Gegenwart zu leben. Ich mache Pläne für das nächste halbe Jahr, wenn es sein muss auch für ein ganzes, aber nie darüber hinaus. Und ich denke fast nie an die Vergangenheit. Wozu an etwas Gedanken verschwenden, was vergangen und nicht mehr zu ändern ist? So sagte ich also mit frohem Herzen ja zu dem Angebot, Queen Mother von Apewu zu werden.
    Wenn die Aschanti eine Queen Mother oder einen Chief einsetzen, dann erhalten sie keine Krone, sondern einen Stuhl. Der Goldene Stuhl der legendären Könige des Aschanti-Reichs der Vergangenheit ist weltberühmt und steht in Kumasi im Museum. Im Gründungsmythos des Aschanti-Reichs wird sein Ursprung so erzählt: Einst erhielt der Priester Okomfo Anokye von Gott Nyame den Auftrag, aus den Aschanti ein mächtiges Volk zu machen. Daraufhin berief der
Asantehene
, also der König, Osei Tutu eine große Versammlung ein, um die Nachricht zu verbreiten. Auf dieser Versammlung holte Okomfo Anokye vor aller Augen einen mit Gold bedeckten, hölzernen Schemel vom Himmel, der sich auf den Knien des Königs niederließ. Okomfo Anokye verkündete, dass dieser Goldene Stuhl den Geist und die Seele des gesamten Aschanti-Volkes enthalte.
    Und nun wurde mir bei einer wunderschönen und den gesamten Tag währenden Zeremonie ein eigener, aus Holz geschnitzter und kunstvoll bemalter Stuhl übereignet, der seither während offizieller Anlässe stets vor mir hergetragen wird.
     
    Am Morgen dieses großen Tages, an dem ich zur Nana wurde, kamen die ältesten Frauen des Dorfes zu mir, um mich in die traditionellen Gewänder einer Nana einzukleiden. Wir hatten eine Menge Spaß dabei, denn da ich noch immer wenig über die Stammesbräuche wusste, mussten sie mich anziehen wie ein Kind.
    Zunächst legte ich – auch das ist eine symbolhafte Handlung – meine alten Kleider ab. Nun verteilten die Frauen mit einer Quaste ein duftendes weißes Puder über meinen Hals und das Dekolleté, denn das bringt Glück. Über mein hochgestecktes Haar stülpten meine Helferinnen ein schwarzes Netz, wie es die Aschanti-Frauen eigentlich immer tragen. Zwei sorgsam zu Kordeln gedrehte Tücher wurden umeinander geschlungen, um meine Stirn und Schläfen gebunden und am Hinterkopf verknotet.
    Und nun begann das große Einwickeln: Die Frauen schlangen ein großes Stück Stoff eng um meinen Körper, Schultern und Arme blieben frei. Dabei handelt es sich um ganz besondere Tücher, die der Königin vorbehalten sind: In den weißen Grund sind schwarze Symbole eingewoben, die alle eine bestimmte Bedeutung haben. Auf dem Tuch zum Beispiel, das mir um Brust und Hüfte geschlungen wurde und mir bis an die Fußknöchel reichte, kann man kleine stilisierte Nana-Stühle erkennen. Danach wurde mir ein besonders prächtiger, doppelter Stoff mit einem anderen Muster, aber ebenfalls weiß mit schwarz, wie eine Toga über eine Schulter geworfen, während die andere Schulter frei blieb.
    Als ich fertig eingekleidet war, holten mich die Frauen des Dorfes ab, um mich tanzend und singend zum Festplatz zu geleiten. An meiner Seite schritten meine Vertrauten Emmanuel und Victor, beide ebenfalls nach Art der Aschanti prächtig gekleidet. Hinter mir ging ein junger Mann, der einen großen Sonnenschirm mit wunderschön geschnitztem Griff und goldenen Quasten über mich hielt. Beim Versammlungsplatz durfte ich einen Ehrenplatz einnehmen und die Zeremonie von dort aus verfolgen, mit der ich feierlich ins Volk der Aschanti und in den Stamm von Apewu aufgenommen wurde. Ich hatte das Gefühl, in eine große Familie aufgenommen zu werden, zu der ich im Grunde schon lange gehörte. Emmanuel saß rechts von mir als mein
Linguist
, mein Sprachrohr, denn bei offiziellen Anlässen äußert sich die Nana nicht direkt, sondern wird durch ihren Linguisten vertreten.
    Der Chief hielt als einer der ersten seine Rede und bestätigte offiziell meine Inthronisierung in das Amt der Königin von Apewu. Er gab mir meinen neuen Namen, denn der Stuhl einer Nana ist mit ihrem neuen stoolname verbunden. Ich heiße Nana Enimkorkor, und das bedeutet: Königin der Entwicklung. So erhielt ich eine neue Identität, mein Leben wurde verflochten mit dem Schicksal des Dorfes Apewu und dem seiner Menschen. Es war seltsam: Während dieser

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