Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
sein Wertesystem einzuordnen. Dann aber – mir schien es nach einer Ewigkeit – erleuchtete ein Grinsen sein Gesicht, er strahlte mich von einem Ohr zum anderen an und schloss mich ganz fest in seine Arme.
Und seither, wann immer er mich sieht, nennt er mich »seine Frau«. Wir sind die allerbesten Freunde, und einmal fragte er sogar Emmanuel im Vertrauen, ob es nicht vielleicht doch ginge, dass ich ihn zum Mann nähme. Auch meine abschlägige Antwort tut unserer Freundschaft keinen Abbruch, bei jeder Stammesfete tanzen wir miteinander, und auch für mich ist das eines der Highlights eines solchen
Dabas.
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10. Mein »Ehemann« aus Apewu
Wie war ich damals erleichtert. Und noch heute muss ich lachen, wenn ich an diese groteske Situation denke, wie wir beide es beinahe nicht schafften, aus diesem verflixten Trotro herauszukommen. In diesen Wochen wies mir der Chief Odikro ein eigenes Haus in einem »Compound« zu. Ein Compound ist ein Häuserkomplex, der einen länglichen Innenhof umschließt. Wenn ich »Häuser« sage, dann sind das natürlich keine Gebäude in unserem Sinne, sondern einfache, aber solide gemauerte Zimmer, die aneinandergereiht sind. Mein Haus umfasst drei solcher einfachen Zimmer und eine Art Abstellkammer, und jedes dieser Zimmer hat ein Fenster nach außen und eine Tür, die in den Innenhof führt. Auf der Hofseite befindet sich ein gemauerter Absatz entlang der Zimmer, auf den man sich wie auf eine Bank setzen kann. Das Leben in Afrika findet draußen statt, in den kleinen Räumen wird nur geschlafen. Von einer Hofseite zur anderen sind Leinen gespannt, wo man nicht nur die Wäsche, sondern einfach alles, was trocknen oder auslüften muss, aufhängt.
Unsere Nachbarin, Sister Tawiah, die auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs mit ihren Söhnen und Töchtern wohnt, passt auf meine Räume auf, wenn ich nicht da bin. Gekocht wird in der gemeinschaftlichen Küche am Ende des Komplexes, und daneben ist ein kleiner Raum mit einem Abfluss nach draußen, das Waschhäuschen. Sister Tawiahs Kinder lassen es sich nicht nehmen, mir frisches Wasser in Eimern vom Brunnen zu holen, damit ich mich damit auf afrikanische Art duschen kann: Im Waschhäuschen zieht man sich aus und überschüttet sich mit einer Kelle Wasser, seift sich ein und spült sich danach wieder kellenweise mit dem Wasser ab. Auf diese Weise reicht ein Eimer für eine gründliche Dusche, während wir in Deutschland viel zu viel gutes Trinkwasser durch den Abguss laufen lassen.
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11. Mein Haus in Apewu – hier bin ich nie allein
Dem Waschhäuschen und der Küche gegenüber liegt ein etwas erhöhter und überdachter Bereich, in dem man Besuch empfängt, am Mittag, wenn es besonders heiß ist, im Sessel ein kleines Nickerchen macht oder sich während eines der heftigen Tropengewitter zurückziehen kann – quasi das Wohnzimmer für den gesamten Compound. Hier gibt es ein Fenster, das zur Dorfstraße hinaus zeigt, und sind die Fensterläden geöffnet, dann hängen hier oft Trauben von Dorfkindern, um zu sehen, was Nana gerade macht. Sie freuen sich, wenn wir ihnen ein paar Verschlüsse von Cola- und Fantaflaschen in die kleinen Hände drücken, dann laufen sie und basteln etwas daraus und kommen später wieder, um mir ihr Werk zu zeigen. Seit ich hier wohne, kommen mich die Bewohner von Apewu besuchen.
Das Zeichen ist mein Fenster: Sind die Läden geöffnet, bin ich zu sprechen. Und sie sind meistens auf, außer ich bin einmal ganz besonders erschöpft. Sind Fenster und Tür geöffnet, dann kommt jeder zu mir, der irgendetwas auf dem Herzen hat, dann halte ich schon mal vierundzwanzig Stunden am Tag Sprechstunde. Ist die Tür aber geschlossen, dann ist meine Ruhe heilig, und ich werde nur dann gestört, wenn jemand im Dorf stirbt.
Für mich gibt es nichts Schöneres, als am Abend dort im Hof zu sitzen, dem Rascheln des Windes in den Palmblättern zu lauschen, über uns der funkelnde tropische Sternenhimmel, zu fühlen, wie langsam die Hitze ein klein wenig nachlässt, und Emmanuel zu bitten, uns eine Geschichte zu erzählen.
Das Leben im Busch unterscheidet sich schon gewaltig von dem in Accra. Im Busch geht es bei meinen Aufenthalten um die konkrete Arbeit am Projekt. Ich besuche die Baustellen, bespreche mich mit meinen Mitarbeitern, den Arbeitern vor Ort, nächste Schritte werden geplant, Hindernisse aus dem Weg geräumt. Und die können ganz unterschiedlich aussehen, so kann es
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