Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
beispielsweise sein, dass es mal wieder keinen Zement zu kaufen gibt, oder der Sand ist nicht verfügbar. Auf meinem Programm stehen auch Treffen mit den Stammesältesten oder der Frauendelegation eines Dorfes. Da die Ortschaften weit auseinander liegen, stehen wir oft um fünf Uhr auf, nehmen eine Eimerdusche und frühstücken etwas, um vor der großen Hitze loszukommen.
Die Fahrten zu unserem Ziel sind mitunter weit, die Fußmärsche lang. Da ich mit meinem europäischen Magen nicht alles essen kann, gibt es unterwegs häufig keine Möglichkeit für mich, etwas zu mir zu nehmen, nur in Flaschen abgefülltes, keimfreies Wasser gibt es dann zu trinken. Oft halte ich mich mit Bananen oder Kokosnüssen und ein paar Keksen aufrecht. Wir versuchen immer, vor Einbruch der Dunkelheit wieder »zu Hause«, also zurück im Dorf zu sein. Dann gibt es wieder die erfrischende und dringend nötige Eimerdusche und endlich etwas zu essen für mich. Ein kleiner Plausch hier und da, und um spätestens 21 Uhr liegen wir alle todmüde in unseren Betten.
In Accra befindet sich dagegen unsere »Zentrale«. Früher trafen mein Team und ich uns immer in meinem Wohnzimmer. Seit zwei Jahren haben wir nun ein richtiges Büro, und hier laufen alle Fäden zusammen. Nein, richtiger ist es zu sagen, dass alle Fäden bei mir zusammenlaufen, egal, wo ich mich aufhalte. Die modernen Kommunikationsmedien machen es möglich, dass ich auch im afrikanischen Busch online sein kann – vorausgesetzt, ich habe Handyempfang. Apewu verfügt noch immer nicht über Elektrizität, aber mein Notebook kann ich zur Not auch an der Autobatterie aufladen.
Dennoch ist meine Zeit in Accra immer bis zum Anschlag ausgefüllt mit der Beantwortung von Anfragen zum Koordinieren von Terminen und für Rückfragen zur Buchhaltung meiner beiden ghanaischen Sekretärinnen. Victor, Emmanuel und ich nutzen die Zeit hier, um die Berichte für aktuelle Projekte zu schreiben und neue Kostenvoranschläge anzufertigen, Baupläne zu besprechen und Behördengänge zu unternehmen. Was einmal mit dem Plündern meines Sparbuchs und Geldgaben meiner Großeltern und ihrer Freunde begann, hat sich in wunderbarer Weise ausgeweitet. So viele Menschen haben sich unserer Sache angeschlossen, und ich bin immer wieder überwältigt, wenn mir wildfremde Menschen schreiben und mich ermutigen. Darum ist mir auch der organisatorische Part meiner Arbeit enorm wichtig. Die großzügigen Spenden unserer Unterstützer wollen schließlich sorgfältig eingesetzt werden. Denn ich stehe persönlich dafür ein, dass die Gelder ihr Ziel erreichen.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass so manche alte Dame oder auch junge Menschen, die mit ihrem Geld haushalten müssen und es nicht im Überfluss zur Verfügung haben, sich mitunter ihre Spende absparen und auf etwas anderes verzichten. Mich freut jeder überwiesene Betrag, gleich, ob es nun fünf Euro sind oder fünftausend. Für einen Rentner kann es viel schwieriger sein, fünfzig Euro zu erübrigen, als für einen Unternehmer ein Vielfaches davon. Darum sehe ich nicht nur die Zahl auf der Überweisung, sondern vor allem die Geste des Teilens, die dahinter steht und ohne die meine Arbeit nicht möglich wäre. Es gibt Kinder, die haben einen Dauerauftrag von einem oder zwei Euro im Monat eingerichtet. Mir bedeutet das sehr viel, denn es zeigt, dass sich selbst Kinder mit mir und meiner Arbeit verbunden fühlen.
Inzwischen ist es Mittag geworden, und ich habe noch nicht einmal gefrühstückt. Rasch schmiere ich mir ein Nutella-Brot und gieße mir einen Tee auf. Doch schon wieder ruft mich Victor ans Telefon, und das angebissene Nutella-Brot bleibt noch ein paar Stunden liegen.
So geht es oft. Würde Mimie nicht auf mich aufpassen, ich würde oft das Essen vergessen. Eben steckt sie den bonbonfarbenen Stoff an einer Schneiderpuppe zusammen, ein Kleinmädchentraum von einem Prinzessinnenkleid entsteht unter ihren Händen.
»Mimie«, rufe ich im Vorübereilen, »das wird ein erstklassiges Osterei. Wann ist denn die Hochzeit?«
Mimie grinst.
»Übermorgen«, sagt sie ruhig.
Ich bin hier nicht die Einzige, die Tag und Nacht schuftet. Doch genau wie Mimie tue ich es leidenschaftlich gern.
Am Telefon ist Joycelyn, unsere Mitarbeiterin.
»Schade, dass du nicht hier bist«, erzählt sie vom Voltasee. »Du solltest sehen, wie Joshua sich freut!«
Eben hat sie ihn in eines unserer Kinderheime gebracht, wo er zum ersten Mal in seinem Leben in einem richtigen Bett
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