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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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Zimmer zur Verfügung hatte. Gentleman, wie er eben ist, überließ er mir den Raum und schlief selbst in meinem Zelt draußen im Garten. Das war sehr lustig, denn Afrikaner schlafen eigentlich nie in Zelten, und wir hatten viel Spaß. Wir kochten auf einem dieser typischen Holzkohleöfen im Hof, so wie es üblich ist, ich tauchte in das traditionelle Leben von Emmanuels Familie ein und lernte eine Menge seiner Onkels und Tanten, Cousinen und Cousins und Nichten und Neffen kennen. Ich liebte das so!
    Von Anfang an, seit ich damals in Accra nach meiner Ankunft am Flughafen in jenes Taxi stieg, war ich mitten im afrikanischen Leben gelandet. Seither war ich immer mit Afrikanern unterwegs, verkehrte bei ihnen zu Hause und hatte relativ wenig mit Weißen zu tun. Auch in Emmanuels Familie wurde ich von Anfang an herzlich aufgenommen. Er bewohnte damals ein kleines Zimmer, das an das Haus seines Onkels angrenzte. Emmas Verwandte behandelten mich gleich wie eine Tochter, und ich durfte mich im Haus frei bewegen, was für Gäste nicht unbedingt selbstverständlich ist. Sie interessierten sich sehr dafür, was ich in Ghana machte, wollten wissen, wie ich Emma kennengelernt hatte. Ich glaube, sie waren sehr stolz, dass er mit mir zusammenarbeitete. Es gab da eine sehr alte Frau in ihrem Haus, sie war so etwas wie Emmas Großmutter, so genau erfuhr ich das nicht. Von Anfang an fühlte ich mich zu ihr hingezogen, vielleicht, weil sie mich an meine Omi erinnerte. Und so gehörte ich einfach von Anfang an mit dazu.
    Dabei half mir, dass ich noch nie Berührungsängste kannte. Nach dem ersten kleinen Schock bei meiner Ankunft, als das feuchtheiße Klima mir ins Gesicht schlug wie ein heißer Waschlappen, habe ich mich aus vollem Herzen auf diesem Kontinent eingelassen. Obwohl alles fremd war, erschien es mir doch seltsam vertraut, so als wäre ich irgendwann schon einmal hier gewesen. Und das, woran ich mich gewöhnen musste, das hat mir nur gutgetan. Zum Beispiel eine gewisse Flexibilität, um mit Widrigkeiten umzugehen. Da ich viel im Land unterwegs bin, hatte ich jede Menge Gelegenheiten, das zu lernen. Wir sagen zwar, morgen früh fahren wir los, doch das ist noch lange nicht sicher. Ich rechne ständig damit, dass Ghana eine Überraschung bereithält. Da gibt es vieles, was eine Abreise verhindern kann oder die Pläne durchkreuzt. Es kann zum Beispiel die ganze Nacht hindurch regnen, und dann sind die Straßen auf einmal unpassierbar. Vielleicht gibt es kein Benzin. Oder wir haben auf einmal einen platten Reifen. Jedenfalls habe ich gelernt, mit allem zu rechnen und mich in alles hineinzufinden.
    Es hat eine Weile gedauert, bis ich diese afrikanische Gelassenheit gefunden habe. Bis ich meine deutsche Zielstrebigkeit teilweise ablegen konnte, die mir bei den hiesigen Verhältnissen oft im Weg gestanden war. Wie gut, dass ich es nicht länger für selbstverständlich halte, dass alles, was ich mir vornehme, auch sofort machbar ist. Ich habe das Gefühl, je älter ich werde, desto weniger möchte ich planen, sondern lasse die Dinge auf mich zukommen. Es ist eine Gratwanderung zwischen Planen und Zulassen, zwischen dem Gestalten der Zukunft und der freudigen Annahme all dessen, was auf mich zukommt.
    Schon damals, 2005, während dieser ersten Woche in Ho, in der mir Emmanuel die Gegend zeigte, in der er aufgewachsen war, erzählte er mir von einem großen Missstand in seiner Heimatstadt, der ihn seit vielen Jahren beschäftigte:
    In Ho gibt es eine kleine Poliklinik, eine der wenigen in Ghana, in denen Leprakranke behandelt werden können. Das ist natürlich grundsätzlich eine gute Sache. Das Problem entsteht paradoxerweise, nachdem die Kranken »geheilt« sind. Denn die Leprakranken, die aus allen Teilen des Landes nach Ho strömen, wurden samt ihren Familien aus ihrer Heimat meistens vertrieben, schließlich ist Lepra aufgrund ihrer Ansteckungsgefahr noch immer eine extrem stigmatisierte Krankheit. Darum können die Betroffenen selbst nach ihrer Heilung nicht wieder nach Hause.
    Da sie also nicht wissen, wohin sie gehen sollen, bleiben sie in Ho und siedeln sich in slumähnlichen Siedlungen in der Nähe der Klinik an. Das geht schon seit vielen Jahren so, und inzwischen leben hier Tausende von verstümmelten und wurzellosen Menschen mit ihren Familien und Nachkommen in allergrößter Not.
    [Bild vergrößern]
    25. Diese leprakranke Frau lebt in menschenunwürdigem Zustand
    Außerdem heißt »geheilt« bei Lepra noch lange

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