Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Aufgabe suchte. Mit einem Deutschen verheiratet, benötigte sie nicht unbedingt ein hohes Einkommen, sondern suchte eine lohnende und sinnvolle Arbeit, um denen zu helfen, die vom Schicksal nicht so gut behandelt worden waren. Sie erzählte mir damals von ihrer Suche nach einer geeigneten Stelle und von den vielen Bewerbungen, die sie geschrieben hatte. Aber immer erhielt sie Absagen mit der Begründung, sie sei überqualifiziert. Ist das nicht Wahnsinn, dachte ich, da brennt es an allen Ecken und Enden, und jemand, der wirklich helfen will, erhält keine Stelle, weil sein Universitätsabschluss als zu qualifiziert eingestuft wird.
»Eines Sonntags«, erzählte sie mir weiter, »ging ich zur Kirche, und der Pfarrer sprach in seiner Predigt davon, dass wir unsere Aufgabe nicht in der Ferne suchen sollten, sondern direkt vor unserer Türschwelle. Dieser Satz traf mich ins Herz. Und als ich nach Hause kam, ging mir das immer noch durch den Kopf. Was bedeutet das, vor meiner Schwelle? Und während ich noch darüber nachdachte, schaltete ich das Radio ein, und just in dem Moment kam eine Sendung über die ›Cured Lepers‹ in Ho und die unmöglichen Zustände, unter denen sie leben. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Seit langem war mir, wie allen in Ho, dieses Problem bekannt. Da war es ja, direkt vor meinen Augen. Ich hatte mein Projekt gefunden. Dachte ich jedenfalls.«
Joycelyn lachte.
»Die Sache war aber die: Die Leprakranken wollten meine Hilfe gar nicht! Sie hatten schon so oft die Erfahrung gemacht, dass Leute auftauchten, ihnen alles Mögliche versprachen und dann nie wiederkamen. So wie die Rundfunkleute. Hatten mit ihnen tagelang Interviews geführt, und dann war der ganze Zauber auch wieder vorbei. ›Wir brauchen keine reichen Leute, die uns ausfragen‹, sagten sie zu mir. ›Wir brauchen echte Hilfe. Von allem anderen haben wir die Nase voll.‹«
»Und was hast du dann gemacht?«, wollte ich wissen.
»Ich bin einfach immer wiedergekommen«, sagte Joycelyn und grinste. »Immer wieder. Und hab ihnen gesagt, ich will euch wirklich helfen. Aber zuerst muss ich wissen, was ihr am dringendsten braucht. Und eines Tages begriffen sie, dass es mir ernst war.«
Der Rest ist Geschichte. Gemeinsam mit den Bewohnern der Lepradörfer fand Joycelyn heraus, dass das erste, was diese Menschen brauchten, ein ordentliches Dach über dem Kopf war. Wie soll man gesund werden, wenn man den ganzen Tag auf der Erde liegt und sich kaum vor Regen schützen kann?
Joycelyn machte einen Projektplan und versuchte, Sponsoren zu finden. Was nicht einfach war. Denn die Leprakranken galten ja als geheilt, und das klingt immer so, als hätte man bereits alles für sie getan, was man tun kann. Das ist oft das Problem bei Hilfsprojekten, dass nämlich in einem bestimmten, kritischen Punkt geholfen wird, die Menschen aber danach sich selbst überlassen werden. Anstatt sich zu fragen: »Was machen denn nun die geheilten Leprösen, wie finden sie wieder ins Leben zurück?«, wird ihre Akte einfach geschlossen. Und da braucht es dann wieder einmal die Initiative von unabhängigen Organisationen, die bereit sind, dort anzusetzen, wo das ghanaische Gesundheitswesen aufhört, sich um die Betroffenen zu kümmern.
»Ich weiß nicht mehr, wie viele Briefe mit einem Projektentwurf ich verschickt habe«, berichtete Joycelyn weiter. »Ich schickte sie an alle Ministerien, an alle NGO s, die ich kannte, an jeden, der mir irgendwie einfiel. Alle antworteten unverbindlich, jaja, das sei ein großes Problem, aber tun könnten sie leider nichts. Schließlich drückte ich mein Dossier auch Urlaubern in die Hand, allen Europäern, die ich durch meinen deutschen Mann kennenlernte, und irgendwie geriet eines meiner Papiere an zwei Niederländer, die sich bei mir meldeten. Sie kamen nach Ho, und ich nahm sie mit in die Dörfer. Sie beschlossen auf der Stelle zu helfen.«
Diesen beiden Männern erging es offenbar ganz ähnlich wie mir damals, als ich zum ersten Mal nach Apewu kam. Sie waren bestürzt von den Zuständen in den Lepradörfern und begannen, zunächst auf privater Basis, Spenden zu sammeln. Zwei Jahre, ehe ich zu ihnen stieß, gründeten sie die »Cured Lepers Foundation Ho Ghana«.
Mit Hilfe von Sponsoren in ihrem Heimatland bauten sie nach und nach kleine, hübsche Steinhäuser mit mehreren Wohneinheiten für die Leprapatienten, damit sie ein menschenwürdiges Leben beginnen konnten. Mittlerweile entstand durch das
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