Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
glaube mir.«
Doch erst als ich wieder einen deutschen Partner hatte, ließen ihre Fragen nach.
Dass es wirklich eine rein platonische oder brüderlich-schwesterliche Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem Afrikaner geben kann, das können die meisten Europäer kaum glauben. Offenbar ist unser Bild von Afrikanern zu sehr von Geschichten wie »Die weiße Massai« geprägt, die die Phantasie der Leute anregen. Und es gibt durchaus viele weiße Frauen, die nach Afrika kommen, um sich einen Urlaub lang einen attraktiven Liebhaber zu nehmen, das kann man an den berühmten Stränden von Accra, die voll sind von diesen schwarz-weißen Urlaubs-Arrangements, ausreichend beobachten. Das ist Sextourismus einmal andersherum, denn diese Europäerinnen bezahlen ihre meist viel jüngeren Begleiter natürlich für ihre Dienste. So tragen auch sie Schuld an vielen negativen Klischees, die wir in Europa von afrikanischen Männern haben. Und prägen in dem doch sehr traditionellen Afrika ganz nebenbei ein Bild von weißen Frauen als die Unmoral in Person.
Deshalb ist es mir wichtig, dass ich von Anfang an durch Haltung, Blicke und Gesten keinen Zweifel daran lasse, dass ich nicht auf eine Liebschaft aus bin. Diese Haltung ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, und die meisten Afrikaner sind sehr sensibel für diese nonverbalen Signale. Ist einer doch einmal penetranter, dann kann ich auch sehr deutlich werden, und im Notfall habe ich ja Victor und Emmanuel, die sofort klarstellen, dass ich keinen »Ehemann« brauche.
Dass aber beileibe nicht alle Afrikaner permanent nur Sex mit weißen Frauen im Kopf haben, dafür sind meine Mitarbeiter und Freunde die besten Zeugen. Uns alle verbindet eine ganz besondere Art von Liebe und Respekt, wir sind füreinander da, uns verbindet dasselbe Ziel, nämlich der unbedingte Wunsch, etwas gegen die Missstände im Land zu unternehmen. Auch davon ist in Europa meiner Meinung nach viel zu wenig bekannt: dass es nämlich unzählige bessergestellte Afrikaner gibt, die einen Teil ihres Einkommens dafür einsetzen, um ihren Mitmenschen, denen es schlechter geht, zu helfen. So wie Stanley, der rund zwanzig Prozent seines Einkommens dafür verwendet.
Stanley hat in Ho ein Bauunternehmen und bohrte jenen Brunnen in dem Dorf Anfoige in der Voltaregion. Und da in Ho einfach jeder jeden kennt, erfuhren wir, dass er auch für einen niederländischen Verein arbeitet, der sich für die geheilten Leprapatienten einsetzt. Und wieder einmal kam eins zum anderen.
»Ich glaube«, sagte ich zu Emmanuel, »wir sollten uns das jetzt einmal anschauen.«
Das brauchte ich ihm nicht zweimal zu sagen.
Obwohl er mir ganz genau geschildert hatte, was mich in den Dörfern der Lepraleute erwartete, und ich als Kinderkrankenschwester mit mehr als zehn Jahren Dienst in einer Notaufnahme in meinem Berufsleben schon vieles gesehen hatte, war ich von dem Elend, das ich dort antraf, zutiefst bestürzt.
Auf dem blanken Boden unter notdürftig zusammengenagelten Bretterverschlägen kauerten Menschen mit zerfressenen Gliedmaßen und entsetzlichen, offenen, meist entzündeten und vereiterten Wunden.
Die jahrelange Pein hatte sich tief in ihre Gesichter geschrieben, der Verlust ihrer Heimat und Familie hatte sie verletzlich gemacht. Das Stigma der Unberührbaren, das auch noch nach ihrer Heilung an ihnen haftete, ihre Haltung, als erwarteten sie, dass ich augenblicklich vor ihren schrecklichen Wunden zurückzucken würde, trafen mich tief in meinem Herzen. Und gleichzeitig war ich berührt von einer ganz besonderen Würde, die sie alle trotz ihres unsagbaren Leides ausstrahlten.
[Bild vergrößern]
26. Bettina versorgt die Wunden einer Leprakranken
Ich konnte nicht anders, ich packte meinen Notfallkoffer aus und kümmerte mich um die schlimmsten Wunden. Nie werde ich das Staunen in den Augen dieser Menschen vergessen, dass ich sie anfasste, als wäre das ganz normal für mich. Und tatsächlich ist es das, das Leid dieser Menschen wurde augenblicklich zu meinem eigenen Leid, und es war mir nicht möglich, einfach weiterzugehen, ohne diesen Menschen zu helfen. Im Nu waren wir umringt von den meist gesunden Kindern und Enkeln der Kranken, denn inzwischen sind es ganze Familien mit mehreren Generationen, die hier in diesem Elend leben.
Zum Glück waren wir nicht die ersten, die kamen, um hier zu helfen. Damals lernte ich auch Joycelyn Ochlich Dotse kennen, die ebenfalls aus Ho stammt und nach ihrem Studium eine echte
Weitere Kostenlose Bücher