Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Wehen hatte, konnten wir nicht anders, als wieder loszukichern. Die Wehen kamen und gingen wieder, dann blieben sie aus, und es kam uns so vor, als würde das Ganze noch eine Weile dauern.
»Du musst nicht hier herumsitzen«, meinte Mimie, »ich ruf dich sofort an, wenn es losgeht.«
Also sagte ich: »Okay, aber du musst mich wirklich anrufen. Und du wirst sehen, ich komme sofort.«
Und tatsächlich, das Baby ließ sich Zeit. Ich hatte gerade Besuch aus Deutschland, und der wollte unbedingt an den Strand. Vorher schauten wir noch bei Mimie vorbei, da war noch alles in Ordnung. Kaum waren wir jedoch an einem der herrlichen Strände Accras angelangt, als mein Handy klingelte.
»Es geht los«, hörte ich Mimies ängstliche Stimme.
»Jetzt sofort?!«, rief ich. »Ich bin schon unterwegs.«
Kurz darauf lief ich in einem dünnen Batikstrandkleid in den Operationssaal ein, denn ein Kaiserschnitt wurde nötig.
»Ich bin der Vater«, rief ich einem Assistenzarzt zu, der mich aufhalten wollte. »Und außerdem Krankenschwester. Ich weiß, was hier geschieht.«
So erlaubten sie mir, dabei zu sein. Der Kaiserschnitt verlief glatt, und bald hielt ich das winzige kleine Mädchen in der Hand. Und als Mimie aus ihrer Narkose erwachte, legte ich ihr die Kleine in die Arme.
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24. Eyram einige Stunden alt
»Aus unserem Zwei-Frauen-Haushalt wird jetzt ein Drei-Mädel-Haus«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen, ich hab schon alles nachgezählt. Die Kleine hat zehn Finger und zehn Zehen. Also alles paletti.«
Und schon brachte ich Mimie wieder zum Lachen. Wir sahen uns an, das Baby an Mimies Brust. Eine größere Verbundenheit zwischen drei Menschen kann man sich nicht vorstellen.
»So«, sagte ich zu der Kleinen. »Du hast zwar keinen Vater, dafür aber zwei Mütter.«
Mimie lag eine Woche im Krankenhaus, und ich musste mich in der Zeit wieder um ein Projekt kümmern. Drei Tage lang war ich in Apewu, und einen Tag, bevor Mimie aus dem Krankenhaus entlassen werden sollte, kam ich nach Accra zurück. Ich werde nie vergessen, wie sie mir da weinend in die Arme fiel. Mimie, die immer die Ruhe selbst war und für alles eine Lösung wusste, war am Ende ihrer Nerven.
»Betti«, schluchzte sie, »ich weiß überhaupt nicht, wie ich das alles schaffen soll.«
Jede Frau, die ihr erstes Kind geboren hat, weiß, dass gerade die Zeit am schwierigsten ist, wenn man die Routine des Krankenhauses verlässt und die neue bei sich zu Hause erst noch finden muss. Wie soll das alles funktionieren? Klappt es mit dem Stillen? Trinkt das Kind genug? Mache ich das richtig mit dem Wickeln? Warum weint das Kind, habe ich etwas falsch gemacht? Wie soll ich mein Geschäft weiterführen können mit einem Neugeborenen, das mich rund um die Uhr in Anspruch nimmt? Komme ich finanziell über die Runden?
Viele junge Mütter gelangen da an einen Punkt, an dem alles über sie hereinbricht und sie das Gefühl haben, dem Ganzen nicht gewachsen zu sein. Natürlich hatte auch Mimie eine solche emotionale Krise. Zum Glück konnte ich ihr beistehen.
Ich sagte zu den Schwestern: »Bitte kümmern Sie sich um die Mutter. Ich kümmere mich um das Baby.«
Als Mimie das hörte, versiegten ihre Tränen sofort. Denn sie wusste, sie war nicht allein.
In diesen ersten Wochen war ich für sie da. Im Handumdrehen hatte Mimie sich erholt und fand zu ihrer ausgeglichenen, souveränen Art zurück. Sie nannte unser Töchterchen Eyram, und das bedeutet »Gott hat mich gesegnet«. Genau so fühlte sich Mimie. Für sie ist die Kleine eine Art Wiedergutmachung des Himmels, für den Kummer, den ihr die Trennung von Kofi beschert hat.
Heute ist Eyram süße drei Jahre alt. Ein kleiner Teufel und ein richtiger Engel in einem, wie alle Kinder, und ich liebe sie aus ganzem Herzen.
Ich spreche nur Deutsch mit ihr, denn sie soll dreisprachig aufwachsen: Ewe, Englisch und Deutsch. Wenn Mimie die verwöhnende Mutter spielt, dann bin ich der strenge Vater. Vielleicht schlüpfe ich dabei ein wenig in die Rolle, die mein Großvater bei mir übernahm, denn wenn auch von großer Herzensgüte, so war er doch unerbittlich in seinen Prinzipien. Ich weiß noch gut, dass er mich damit oft genervt hat, aber heute bin ich ihm dafür dankbar.
Und dieser Zusammenhalt verbindet uns, Mimie und mich. Ihr Ziel ist es, sich wieder ein eigenes Modestudio aufzubauen, so wie sie es vor ihrer Trennung hatte. Eisern spart sie auf einen eigenen Laden, in dem sie ihre Kleider verkaufen
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