Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Kinder und Frauen und das Fischereiministerium, das wir als Kooperationspartner für das Projekt gewinnen konnten. Für die vier Zielgruppen Dorfgemeinschaft, Fischer, Eltern und Kinder fanden wir einen viergleisigen Aktionsplan.
Zunächst mussten wir herausfinden, welche Alternative die Fischer zu den Kindersklaven hatten. Die zündende Idee kam schließlich von ihnen selbst.
»Das Schwierige an unserer Arbeit ist«, sagte einer ihrer Sprecher, »dass wir nie wissen, was wir morgen in unseren Netzen haben. Wir müssen so hart arbeiten, unsere Boote instand halten, die Netze pflegen, wir haben Ausgaben. Und am Ende vom Tage oft nicht einmal eine Handvoll Fische, um unsere Familien damit zu ernähren. Wenn wir all die Arbeit alleine tun, kommen wir nie über die Runden.«
»Wenn wir unsere Fische nicht mehr wild fangen müssten«, warf ein anderer ein, »sondern sie züchten könnten, so wie ich es von meinem Cousin gehört habe, in großen Käfigen im See, dann ginge es uns allen besser.«
»Du meinst also Fishfarming?«, fragte Emmanuel nach.
»Ja, genau«, war die Antwort.
»Und wenn ihr also Fische züchten könntet«, fragte ich nach, »könntet ihr dann auf die Kinder verzichten?«
»Vielleicht bräuchten wir noch Außenbordmotoren, dann könnten wir die Kinder gehen lassen.«
Eine große Diskussion begann. Die einen hatten von Fishfarming noch nie etwas gehört, mussten es erst erklärt bekommen. Die anderen waren bereits hellauf begeistert. Die dritte Gruppe saß immer noch mit verschränkten Armen und finsteren Mienen dabei. Sie waren noch längst nicht davon überzeugt, dass Gespräche mit unserem Team ihnen irgendetwas nützen würden. Doch der Prozess war endlich in Gang gekommen.
Im Folgenden informierten wir uns darüber, welche Erfahrungen im Bereich Aquakultur in Ghana bereits vorhanden waren. Das Fischereiministerium hatte schon einige solcher Projekte durchgeführt, die gut funktionieren. Es verfügte über Fachleute, die neue Projekte begleiten und betroffene Fischer in diese neue Form der Fischzucht einarbeiten konnten. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen waren unschätzbar für uns, und wir fragten an, ob das Ministerium unser Projekt am Voltasee unterstützen würde.
Ich war sehr glücklich, als diese Zusage kam. Denn von uns verstand keiner etwas von der Fischerei, jedenfalls bislang nicht.
Und so lief alles parallel: die Meinungsfindung der Fischer, unsere Recherche, mein Rundgang bei allen möglichen Ämtern und Behörden. Die Vorteile der Aquakultur lagen auf der Hand. Die Fische werden in großen Käfigen draußen im See gezüchtet. Die Fischer müssten in ihren Booten nicht mehr so weit auf den See hinausfahren, stets mit der Unsicherheit, ob sie etwas fangen würden oder nicht. Sie müssen lediglich die Käfige besuchen, um die Fische zu füttern und sich um sie zu kümmern. Beim Fishfarming weiß man ziemlich genau, wie hoch der Ertrag sein wird. Es war auch die Idee der Fischer, Gruppen zu bilden und gemeinsam die Käfige zu bewirtschaften. Tilapia ist ein sehr begehrter Fisch in Ghana, der mit Sicherheit leicht Abnehmer finden wird.
Ein Problem bei der ganzen Sache ist, dass ein solches Projekt auf Langfristigkeit angelegt ist. Man fährt nicht länger morgens auf den See hinaus und bringt am Abend seinen Fang nach Hause. Vom Einsetzen der Babyfische bis zum Einholen des Fangs von ausgewachsenen Tilapien vergehen sechs Monate. Es macht diese Leute nervös, monatelang auf etwas hinzuarbeiten, wovon sie später erst den Nutzen haben werden. Auch ist es nach wie vor nicht einfach, mit Dörfern zusammenzuarbeiten, in denen so viele verschiedene Stammesangehörige leben. Sie akzeptieren oftmals nicht die gemeinsame Hierarchie, und ein Chief hat nicht denselben Stand wie in einem gewachsenen Dorf. Doch wenn ich auch manchmal im Stillen verzweifeln wollte, so wusste ich, ich hatte keine Alternative, als mit diesen schwierigen Menschen zusammenzuarbeiten. Denn es ging um die Kinder, und das vergaß ich nicht. Bei allen Gesprächen über Fishfarming, Aquakultur, bei allen Verhandlungen mit dem Ministerium hatte ich stets eines vor Augen: die Kinder, die am Ende dieses langen Prozesses endlich freikommen würden.
Wir befanden uns mitten in diesem Prozess des sich Kennenlernens, des Gesprächeführens, des sich langsam aneinander Herantastens, als sich für meine Arbeit für Madamfo Ghana eine riesige Chance auftat. Die Redaktion eines deutschen Fernsehsenders trat auf mich zu und bot
Weitere Kostenlose Bücher