Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
aber auch die ganz hartnäckigen Burschen, die nicht an Veränderung glaubten. Jene Männer sind meistens nicht teamfähig, nicht in der Lage, sich in einer Gruppe zu organisieren, und das einzelkämpferische Leben als Fischer gab das früher auch gar nicht vor.
Für die Dreharbeiten hatte ich alle meine wichtigen Verbündeten zusammengetrommelt. Mit von der Partie waren außer unserem harten Team auch Joycelyn, Stanley und Roland Kumfo, der zuständige Welfare Officer, was in Deutschland dem Zuständigen vom Jugendamt entspricht. Wir wussten, dass wir langfristig, wenn wir die gekauften Kinder befreien wollten, vom Staat eine sogenannte
Care Order
beantragen und genehmigt bekommen mussten. Dafür ist Roland zuständig. Aus diesem Grund involvierten wir ihn von Anfang an, damit er sich selbst ein Bild von den Zuständen in den Fischerdörfern machen und uns fachlich beraten konnte, was möglich war und was nicht.
Mit dieser Truppe kamen wir also an dem besagten Morgen in eines der Fischerdörfer. Emmanuel hatte die Menschen auf das Filmteam vorbereitet und zuvor mit einigen Menschen gesprochen, die bereit waren, sich filmen zu lassen. Unter den Protagonisten war auch ein Fischerjunge namens King, und gerade in den Minuten, als unser Kamerateam King in seine Hütte folgte, um sich zeigen zu lassen, wo er nachts schlief, da passierte es.
Während Victor und Joycelyn bei den Autos warteten, die wir am Seeufer geparkt hatten, waren Emmanuel und ich mit ins Dorf gegangen. Dennoch hielt ich mich immer ein wenig zurück, blieb gerade nahe genug, damit wir helfen konnten, wenn das Team uns brauchte, und doch ein Stück abseits, um nicht im Weg herumzustehen. Wir plauderten gerade mit den Leuten vom Dorf, die mit uns zusammenarbeiteten, wir scherzten sogar und lachten über etwas, und nach und nach bildete sich wie immer um mich eine Menschentraube. Da kam auf einmal Bewegung in diese Leute, und ehe ich mich versah, stand ein kleiner Junge vor mir. Einer dieser Fischer, die mit uns kooperierten, hatte ihn vor mich hin geschoben – einen schmächtigen, völlig verschreckten Jungen. Er war acht Jahre alt, und ich sah große Angst in seinen Augen.
»Was ist denn mit dir passiert«, fragte ich.
»Sein Master hat ihn gerade wieder geschlagen«, sagte der Mann. »Ein typischer Fall. Gerade dieser Junge bekommt oft Prügel.«
Und wirklich, es war nicht zu übersehen, über den ganzen Brustkorb und Rücken hinweg waren deutliche Male zu erkennen. Ich ging vor dem Kind in die Hocke.
»Wie heißt du?«, fragte ich den Jungen.
Emmanuel übersetzte.
»Daniel«, sagte er leise und keuchend.
»Hast du Schmerzen hier?«
Ich berührte vorsichtig das Mal an seinem Brustkorb. Daniel nickte.
»Tut es weh beim Atmen?«, fragte ich weiter.
Der kleine Junge atmete heftig und nickte wieder.
»Er wurde mit dem Paddel geschlagen«, erklärte der Fischer, der ihn mir gebracht hatte.
Und auf einmal wurde ich so entsetzlich wütend, dass ich am liebsten diesen Kerl, der ein kleines Kind mit einem Paddel prügelt, selbst gepackt und geschlagen hätte. Tränen des Zorns stiegen in mir auf, und ich musste mich entsetzlich beherrschen, nicht einfach loszuheulen. Stattdessen besann ich mich auf meine Professionalität als Krankenschwester und untersuchte Daniel genau. Auf einmal hörte ich die Stimme unseres Regisseurs hinter mir: »Frau Landgrafe, was ist denn hier passiert?«
Als ich das hörte, war mir sofort klar, dass die Kamera lief. Denn so hatten wir es vereinbart: Immer wenn gedreht wurde, dann siezten sie mich, während wir sonst per Du waren. Ich hatte gar nicht wahrgenommen, dass das Team aus Kings Hütte wieder herausgekommen war. Als wahre Profis hatten sie sofort erkannt, dass hier etwas Wichtiges im Gange war. Ich erhob mich und überlegte für eine Millisekunde, ob ich jetzt einfach vor laufender Kamera ausflippen sollte oder besser nicht. Nein, Bettina, sagte ich mir, jetzt reißt du dich zusammen, denn das ist es ja genau, was wir für unseren Filmbeitrag brauchen, damit wir das Problem den Menschen in Deutschland richtig darstellen können.
Jeder, der diesen Fernsehbeitrag gesehen hat, der weiß, wie es jetzt weiterging. Ich riss mich zusammen, auch wenn man mir anmerkte, wie aufgewühlt ich war und dass ich fast in Tränen ausgebrochen wäre. So aber erklärte ich, was eben passiert war, und untersuchte den Jungen vor laufender Kamera, ob die Schläge mit dem Holzpaddel schlimmere Schäden angerichtet hatten.
Es war
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