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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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eigenen Schwierigkeiten. Denn es war alles andere als einfach, die Eltern der Kinder überhaupt ausfindig zu machen. Die Fischer, die die Kinder kauften, schwiegen selbstverständlich über die Herkunft ihrer kleinen Sklaven. Und selbst wenn sie wollten, konnten sie kaum Auskunft geben. Wir hatten es versucht, hatten Nachbarn befragt.
    »Wie heißt die Mutter von diesem Kind?«
    »Mary.«
    »O.k., Mary. Und wie weiter?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und wo wohnt sie?«
    »Weiß ich nicht. Einmal im Jahr taucht sie auf und kassiert das Geld für den Jungen. Keiner weiß, woher sie kommt.«
    Dennoch müssen wir langfristig diese Mütter und Väter erreichen, herausfinden, wie wir ihnen helfen können, damit sie nicht mehr das Wertvollste, das sie haben, verkaufen müssen, nämlich ihre Kinder. Und schließlich geht es auch darum, diese Menschen über Familienplanung aufzuklären, ihnen klarzumachen, dass sie eine andere Möglichkeit haben, als jedes Jahr aufs Neue wieder schwanger zu werden und Kinder in die Welt zu setzen, die sie nicht ernähren können. Nichts liegt mir ferner, als sie zu bevormunden, doch wer noch nie etwas von moderner Empfängnisverhütung gehört hat, der hat auch keine andere Wahl. Sie sollen sich frei entscheiden können, und dafür brauchen sie echte Alternativen. Für diesen Zweck haben wir vor kurzem Holzpenisse schnitzen lassen, an denen die Social Worker vor Ort den Frauen erklären können, wie man ein Kondom handhabt. Denn eines muss auch klar und deutlich ausgesprochen werden: Auch die Eltern machen sich strafbar, wenn sie ihre Kinder verkaufen.
    Ich weiß, dies ist ein langer Weg. Es braucht Geduld und Zeit, doch über Jahrhunderte gewachsene Strukturen können nicht über Nacht aufgelöst werden. Das Beziehungsgeflecht in Zusammenhang mit Menschenhandel ist, das habe ich mir inzwischen sagen lassen, immer eines der kompliziertesten Systeme überhaupt. Solange man nur einen Parameter verändert, wird man langfristig keinen Erfolg haben.
    Eigentlich ist es ganz ähnlich wie bei allen anderen Problemen auch. In Apewu waren zuerst die Durchfallerkrankten, die von mir behandelt wurden, bis ich nachfragte und die Ursache für die gehäuften Krankheitsfälle herausfand: verschmutztes Wasser. Und auch in Apewu gibt es heute noch Familien, die ihr Wasser lieber aus dem schmutzigen Bach holen. Das ist ihre Sache, aber immerhin haben sie eine echte Wahl. Und es ist kein Verstoß gegen das Gesetz, kontaminiertes Wasser zu trinken, auch wenn ich das manchmal bedaure.
    Hier bei den Fischersklaven ist das Ganze zwar komplizierter, aber ich bin sicher, dass wir es ebenso lösen können, wenn wir nur mit der richtigen Mischung aus Geduld und Offenheit, gepaart mit einer tüchtigen Prise Sturheit herangehen.
    »Mich werdet ihr nicht mehr los«, das habe ich diese Leute schon früh wissen lassen.
    Es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich mich bei meiner Arbeit mit Madamfo Ghana in Dorfgebräuche einmische und dezidiert will, dass sich etwas ändert. Dass ich hingehe und sage: »Das, was ihr macht, ist falsch. Es ist gegen Moral und Gesetz. Und ihr wisst es auch.«
    [Bild vergrößern]
    32. Joycelyn und Bettina bei einer Dorfbesprechung in der Voltaregion
    Keiner widerspricht mir da, sie wissen alle, dass ich recht habe. Wir haben ihnen aber auch erklärt und inzwischen gezeigt, dass wir ihre Meinung schätzen. Immer wieder haben wir ihnen Fragen gestellt und uns erklären lassen, was ihrer Meinung nach ihre Situation ist, wo die Probleme liegen und was nötig wäre, damit sie auf die Kindersklaven verzichten könnten. Danach arbeiteten wir ihre Gedanken in unsere Projektpapiere ein, kehrten zu ihnen zurück, trugen ihnen unsere Ergebnisse vor und fragten sie, ob wir sie richtig verstanden hatten und ob sie sich darin wiederfinden könnten. Und so haben wir inzwischen, durch reines Zuhören und Nachfragen, Weiterdenken und Diskutieren, einen Programmansatz entwickelt, der gute Chancen auf Erfolg hat. Warum, frage ich mich, hat das nicht schon jemand anderes vor uns in Angriff genommen? Madamfo Ghana gehört schließlich nicht zu den ganz großen Entwicklungshilfe-Organisationen, die viel mehr Möglichkeiten haben als wir. Aber offenbar braucht es einen Dickkopf wie mich, um so eine Sache anzupacken.

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    Kapitel 13
    Aufruhr am See
    G emeinsam mit den Leuten vor Ort arbeiteten wir also einen Strategieplan aus. Mit dabei waren Experten verschiedener Menschenrechtsorganisationen, das Ministerium für

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