Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Meine Geduld war mal wieder am Ende, und ich plante in jedem der beiden Dörfer ein Stammestreffen, um die Menschen dort zur Raison zu bringen.
Diesmal nahm ich mir vor, stärkere Geschütze aufzufahren als sonst. Ich sprach bei der Regionalbehörde in Kpando vor, der nächstgrößeren Stadt, und konnte mehrere höhere Beamte wie einen Repräsentanten des DCE (District Chief Executive), des Ministeriums für Frauen und Kinder sowie von der CHRADJ (Commission on Human Rights and Administrative Justice) davon überzeugen, einmal ihre Bürosessel im Stich zu lassen und mit uns zu diesen Stammestreffen zu fahren. So waren wir eine stattliche Anzahl von Leuten, die an jenem Tag in den Dörfern eintrafen.
Wenn ich solche offiziellen und möglicherweise auch kritischen Treffen vor mir habe, dann kleide ich mich ganz bewusst als afrikanische Nana ein. Das ist ungefähr so, als würde ich in Deutschland als Vorstandsvorsitzende eines Konzerns mein teuerstes graues Kostüm anziehen und mehrere Verdienstkreuze, vom Bundespräsidenten persönlich verliehen, am Kostümkragen tragen.
Die Leute sehen dann meine weiße Haut und mein blondes Haar, aber alles andere ist hundertprozentig afrikanisch, nicht nur meine Kleidung, auch mein Auftreten, mein Reden, meine Gesten. Ich kenne die Rituale und Gebräuche und bin vom Scheitel bis zur Sohle Nana Enimkorkor. Mit den Vertretern der lokalen Regierung in meinem Rücken war ich an jenem Tag eine Größe, die sie nicht so leicht ignorieren konnten. Als selbst der Deputy aussprach, was alle wissen, die Fischer aber nur zu gern vergessen, nämlich dass sie alle gegen das Gesetz verstoßen, war es den Versammelten anzusehen, dass sie verstanden hatten, welche Zeit für sie nun angebrochen war. Dennoch geht es natürlich nicht ohne Diskussion ab. Jeder muss seine Meinung kundtun, und so auch Daniels Vater. Dass er allerdings so überhaupt nicht punkten konnte in dieser Versammlung, das hatte er offenbar nicht erwartet. Am Ende, als der offizielle Teil bereits vorüber war und ich mit den Regierungsvertretern eine kurze Bootsfahrt hinaus zu den Käfigen mit den ersten Aquakulturen machte, schnappte sich Daniels angeblicher Vater Roland Kumfo, unseren Care Officer. Er erzählte ihm, dass er vier Jahre im Gefängnis gesessen habe. Und ob Roland auch wissen wolle, warum? Weil er einen Mann, der schlafend auf einer Bank vor seiner Hütte lag, mit Benzin übergossen und dann angezündet hätte. Dazu grinste er und wollte Roland, der ihm ja, wie er es sah, den Jungen weggenommen hatte, ganz offenbar einschüchtern.
Und solche Männer halten kleine Kinder als Arbeitssklaven!
Am Voltasee arbeiten, und das ist nur eine ungefähre Schätzung, die auf keinerlei Datenmaterial zurückgreifen kann, mehrere tausend Kinder.
Der Bericht in der Fernsehsendung brachte uns eine Resonanz ein, die mich geradezu überwältigte. Allein an einem Tag erhielt ich zweitausend E-Mails, und ich wusste nicht, wie ich die alle beantworten sollte. Die Menschen waren so berührt von den Szenen in dem Fischerdorf, dass sie bereit waren, unsere Sache für die Kindersklaven, jeder nach seinen Möglichkeiten, zu unterstützen.
Ich bin all diesen Menschen so unendlich dankbar, dass ich es gar nicht ausdrücken kann. Es ist wunderbar, über diese Geschichte, die mir selbst derart zu Herzen geht, mit vielen mir unbekannten Menschen in Kontakt zu kommen.
Inzwischen sind in den beiden Dörfern, mit denen wir in Verhandlungen getreten sind, die Ergebnisse sichtbar. In einem Zeitraum von Dezember 2010 bis März 2011 konnten die Fischer, die sich an unserem Projekt beteiligt haben, den ersten Fang einholen.
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34. Fishfarm-Projekt
Dieses Erlebnis hat auch die dicksten Starrköpfe davon überzeugt, dass das Fishfarming mit Madamfo Ghana eine gute Sache für sie ist.
Besonders freut mich, dass gerade Daniels früherer Master und sogenannter Stiefvater, der zu unseren erbittertsten Gegnern gehört hatte, auf einmal verstand, was für eine gute Sache das doch ist. Hier zeigte sich, dass Emmanuels große Geduld Früchte trug, mit der er mit den Fischern und besonders mit diesem schwierigen Mann sprach, ihnen immer wieder aufs Neue erklärte, wie das mit dem Fang der Fische vonstatten gehen wird, bis es auch der letzte nach monatelanger Überzeugungsarbeit endlich begriffen hatte.
Denn zunächst dachten diese misstrauischen Menschen, dass Madamfo Ghana am Ende den gesamten Profit einstreichen würde, während sie
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