Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
selbst leer ausgingen. Ich weiß gar nicht mehr, auf wie vielen Stammestreffen Emmanuel den Fischern erklärte, dass es ihr Projekt ist und sie die Nutznießer des Ertrags sein werden, aber sie konnten oder wollten das nicht verstehen.
»Wir arbeiten doch nicht für diese Leute!«, schimpfte Daniels ehemaliger Master. »Die wollen doch nur, dass wir für sie die Fische großziehen, und am Ende machen sie sich mit dem Profit davon!«
Was will man von Menschen anderes erwarten, die es nicht besser kennen, als dass jeder gegen jeden ist und Menschenrechte seit Generationen mit Füßen getreten werden? Menschen, die es gewohnt sind, vom anderen übervorteilt zu werden? Die außerdem auch einen begrenzten Horizont haben und es nicht gewöhnt sind, so komplexe Projekte durchzuführen? Hier kann nur unendlich große Geduld etwas bewirken, und die bringt Emmanuel Gott sei Dank mit. Über Monate hinweg fuhr er zwei bis drei Mal in der Woche an den See und sprach mit den Männern. Erklärte alles noch mal von vorn. Und irgendwann zeigte dieses Vorgehen Früchte.
Das entscheidende Datum war der 1. Dezember 2010. An diesem Tag holten die Fischer, die bei unserem Projekt mitmachten, die ersten ausgewachsenen Fische aus den Käfigen. Die größten wurden aussortiert und in die Boote verladen. Die Tilapien waren prächtig gediehen, und das Dorf war voller Fischeinkäufer aus dem gesamten Land, die uns den Tilapia nur so aus den Händen rissen. Noch nie waren so viele fremde Menschen in diese Dörfer gekommen, und die Fischer waren überwältigt von dem Erfolg. Doch das war erst der Anfang. Käfig um Käfig wurde geleert, und immer gab es mehr Käuferwünsche als Fische.
Emmanuel hatte vom Fischereiministerium eine Reihe von Telefonnummern von Händlern und Händlerinnen erhalten und sie der Reihe nach angerufen. Diese hatten wiederum ihren Freunden und Kollegen davon weitererzählt, die berühmte afrikanische »Buschtrommel« – heutzutage allerdings via Mobiltelefon – hatte wunderbar funktioniert. So kam es, dass wir uns vor Käufern kaum retten konnten. Tilapia ist in Ghana ein »hot cake«, es herrscht eine unglaubliche Nachfrage auch von guten Restaurants und Hotels im ganzen Land danach, und diese Erfahrung war vollkommen überwältigend für die Männer am See, die bislang nur ein paar Fische pro Tag in ihren Netzen gehabt hatten.
Und nicht nur der Erlös der Tilapien brachte für das Dorf eine Wendung zum Besseren. Die Fischer selbst erhielten vom Fischereiministerium ein Training, um ihre Fangtechniken zu optimieren. Zum Beispiel lernten sie, welche Art von Netzen sie für welche Fische verwenden sollten, um ihre Fangquoten zu optimieren und gleichzeitig die Bestände zu schonen. Allein schon der Hinweis half, sie sollten doch ihre Netze um die Käfige herum plazieren, denn das Futter der Käfigfische lockt die frei lebenden Kollegen an.
So kam es, dass sogar Daniels früherer Master die größte Kehrtwendung seines Lebens vollzog: Vom erbitterten Madamfo-Ghana-Gegner wurde er zu einem der feurigsten Unterstützer unserer Sache. Manche müssen es eben erst mit eigenen Augen sehen, bis sie an das Gute, das man ihnen anbietet, glauben können. Wir sind alle sehr erleichtert, dass das Dorf nun nach so langen Diskussionen endlich erlebt hat, dass wir ihnen keine Lügen erzählen.
Erst im März 2011 war die erste Fischernte in diesen Dörfern vollkommen abgeschlossen. Den gesamten Ertrag für den verkauften Fisch nahm übrigens Emmanuel ein, und er kam auf ein besonderes Konto. Von dieser Summe werden nun für die beiden Dörfer neue Babyfische gekauft, die in die Käfige für die zweite Runde eingesetzt werden, sowie das Futter, das sie während der sechsmonatigen Wachstumsphase brauchen. Danach behält Madamfo Ghana eine weitere Summe ein. Einen Teil des Erlöses behalten wir bei jeder neuen Runde ein, um dasselbe Projekt dann in Zukunft in zwei neuen Dörfern zu starten. Was dann übrig bleibt, wird unter den Fischern gerecht verteilt oder in ein Projekt ihrer Wahl investiert, zum Beispiel in einen Brunnen. Wer nur zugeschaut hat, der geht für dieses Mal leer aus und ist das nächste Mal sicherlich ganz vorne mit dabei.
Emmanuels Mühe und Plage, unsere Geduld und Langmut haben sich also gelohnt. Schließlich müssen diese Männer in kurzer Zeit einen Entwicklungsprozess durchlaufen, der an anderen Orten viele Jahrzehnte lang währte.
Es geht dabei um vieles, was geübt werden muss: Aus Einzelkämpfern müssen
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