Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
es schon richtig. Wir holen die anderen auch noch raus. Alles schön eins nach dem anderen.«
Und das sagte ausgerechnet ich, die am liebsten mit einem Bus an den See fahren würde und alle Kinder einladen, die für die Fischer arbeiten müssen.
Während der Heimfahrt waren wir alle ziemlich still und hingen unseren Gedanken nach. Alle dachten wir an die Kinder, die noch am See waren. Auf einmal rief Emmanuel:
»Oh, du liebe Güte, wir müssen ja noch die Penisse abholen.«
Und ich: »
Was
müssen wir abholen?«
»Na, die Holzpenisse für die Schwangerschaftsberatung.«
Da brachen wir alle in Gelächter aus, und der Bann war gebrochen.
Wir fuhren noch rasch bei unseren Holzschnitzern vorbei, die für Madamfo Ghana wunderschönes Kunsthandwerk für den Bazarverkauf in Deutschland herstellen. Die hatten jetzt den Sonderauftrag erhalten, für uns zehn hölzerne Penisse für unser Familienplanungs-Programm zu schnitzen. Da gab es natürlich ein großes Hallo, und wir waren alle froh, wieder lachen zu können.
Noch am selben Abend rief ich den Redakteur, mit dem wir den Bericht gedreht hatten, an und erzählte ihm, dass wir heute Daniel und King im Kinderheim besucht hatten. Er wollte alles haarklein wissen und bedauerte, nicht dabei gewesen zu sein.
Und so ging dieser Tag zu Ende, der für mich seit jenem abenteuerlichen Brunnenbau in Apewu, als das Ganze zunächst zu scheitern drohte und dann doch noch gelang, zu den schönsten zählte, die ich jemals erlebt habe.
Zu sehen, wie sehr sich die beiden Jungen in der behüteten Umgebung des Kinderheims entwickelt hatten, wie liebevoll sie waren und wie verantwortungsvoll sie mit dem umgingen, das sie ihr Eigen nennen durften, hat mir gezeigt, dass wir genau das Richtige tun. Und wenn ich mich manchmal wieder über die Fischer ärgere, wenn mir in schwachen Stunden der verständnisvolle und kooperative Weg, den wir mit ihnen eingeschlagen haben, zu mühselig erscheint und ich am liebsten mit einem Aufmarsch an Militär da reinginge, um die Kinder herauszuholen, so richte ich mich an dieser Erinnerung wieder auf: Daniel und King, wie sie aus der Schule kommen, lachend, die nassen Schuhe versorgend, voller Stolz uns ihre Betten zeigend, im Gespräch vertrauensvoll die Hand auf meinen Arm gelegt und beim Abschied einhellig winkend. Dann stelle ich mir vor, wie es ihnen in zwanzig, fünfundzwanzig Jahren ergehen wird, wenn sie nach der Schule eine gute Ausbildung erhalten haben und hoffentlich die traumatischen Erlebnisse ihrer Kindheit verarbeiten konnten und ein normales, erfülltes Leben führen werden.
Es lohnt sich, sage ich mir dann. Daniel und King waren die ersten beiden. Inzwischen haben wir mehr als hundert Kinder dort herausgeholt, und täglich geht es weiter. Ich werde nicht ruhen, bis auch das letzte Dorf an diesem riesigen See mit dem unübersehbaren, verzweigten Ufer seine Kindersklaven freigeben wird. Und wenn mich diese Aufgabe mein restliches Leben lang beschäftigen wird.
Wenn ich zurückdenke, wie schwierig es uns die Fischer machten, wie mühsam es war, ihr Vertrauen zu gewinnen! Denn auch nach der Rettung von Daniel und King waren die Fischer noch lange nicht überzeugt. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Begebenheit, als wir mit unseren Verhandlungen an einen toten Punkt gekommen waren. Und zwar machte ausgerechnet Daniels früherer Master Theater, der auf einmal behauptete, er sei der Vater des Jungen. Die anderen allerdings erklärten uns, dass er Daniels Stiefvater war, der neue Partner von Daniels Mutter. Er wollte den Jungen um jeden Preis zurückhaben. Wie auch immer die verwandtschaftlichen Verhältnisse genau waren, mich interessierte mehr, dass sich nach Daniels Überführung ins Kinderheim herausgestellt hatte, dass er jahrelang mit Elektrokabeln verprügelt worden war. Davon zeugen feine Striemen auf seiner Haut, die sich über seinen ganzen Körper ziehen. Und jetzt glaubte dieser brutale Kerl, der einen Achtjährigen mit dem Paddel schlug und zuvor regelmäßig mit einem Elektrokabel quälte, dass ich das Kind, das sich so wunderbar in der geschützten Umgebung des Kinderheims entfaltete, wieder herausgeben würde?
Rechtlich besaß der Mann gar keine Handhabe, denn das Gericht hatte Madamfo Ghana die Care Order, also das Sorgerecht, übertragen. Aber er sorgte im Dorf für Unruhe, und das erschwerte unsere Arbeit. Dazu kam noch ein dummer Streit über die Nutzung eines Bootes, das wir für die Fischer gekauft hatten. Kurz:
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