Weiße Nebel der Begierde
zwischen ihr und Gabriel. Die Duchess of Devonbrook, Catriona, ging nach oben und kam mit ihrem dreijährigen Sohn James zurück, der wie eine Miniaturausgabe seines Vaters aussah in den langen Hosen, einem kurzen Rock und gerüschtem Hemd.
Catriona setzte James in einen hohen Chippendale-Stuhl zwischen sich und ihren Mann. Brighde, die ihren Platz ihnen gegenüber hatte, verwickelte den kleinen Jungen sofort in ein ernstes Gespräch über ihre Locken.
Es wurden fünf köstliche Gänge serviert, das Feuer im Kamin prasselte und die Unterhaltung verlief angenehm und freundschaftlich. Die Familie wollte wissen, wo Trelay genau lag, wie es war, so weit entfernt von dem zu leben, was man die moderne Gesellschaft nannte, und wie lange die Reise von dort nach London gedauert hatte. Eleanor erzählte von ihrer Hochzeit in Gretna Green, dem Aufenthalt in Kirkby Lonsdale und Mr Grays unglaublichem Bett. Gabriel und Robert Devonbrook entdeckten, dass sie auf der Halbinsel auf denselben Schlachtfeldern gekämpft hatten.
Nach dem Essen zogen sie sich zu Tee, Portwein und anderen Erfrischungen in den Salon zurück. Brighde und Juliana spielten mit dem kleinen James vor dem Kamin und bauten Kartenhäuser aus Christians schönsten Whist-Karten.
»Nell«, sagte Christian, als er sich mit einem Portweinglas in der Hand neben Grace auf das Sofa setzte, »wie wär’s mit ein wenig Musik? Es ist so lange her, seit ich zum letzten Mal gehört habe, wie du spielst. Und vielleicht könnte dich meine wunderbare Frau auf dem Pianoforte begleiten?«
Er nahm Graces Hand und küsste sie mit einem tiefen Blick in ihre Augen.
Eleanor musste unwillkürlich lächeln, als sie sah, wie glücklich Christian war, nachdem er die Gespenster der Vergangenheit vertrieben hatte.
Als er Grace im Frühjahr geheiratet hatte, waren zwei Menschen, die sich vollkommen fremd waren, vor den Altar getreten. Sein Großvater, der Duke, und Graces Onkel hatten die Ehe aus finanziellen Erwägungen arrangiert und diese war zunächst auf gegenseitige Ablehnung gegründet. Der holprige Anfang musste etliche Stürme überstehen. Es hatte einige Zeit gedauert, und eine Jagd durch die schottischen Highlands war nötig gewesen, um die beiden zusammenzuführen. Jetzt war es nicht zu übersehen, dass Christian das Herz seiner Frau gewonnen hatte und sie seines.
Bei all dem Aufruhr und Gram der letzten Monate waren sich auch der Duke und Christian ir-gendwie näher gekommen. Zwischen ihnen hatte sehr lange Missstimmung geherrscht, und es hatte Zeiten gegeben, in denen die beiden sich kaum im selben Zimmer aufhalten konnten. Aber jetzt gingen sie freundschaftlich miteinander um, diskutierten über Politik und das Weltgeschehen und schienen auf dem besten Wege zu sein, die Kluft zwischen sich zu schließen.
Es war ein Jahr der Neuanfänge gewesen.
Grace erhob sich, aber statt direkt auf das Klavier zuzugehen, blieb sie vor Juliana stehen, flüsterte leise mit ihr, so dass nur Juliana und Eleanor hören konnten, was sie sagte.
»Juliana, normalerweise sitzt Liza, mein Mädchen, neben mir, wenn ich Klavier spiele, und blättert die Notenseiten für mich um. Aber Liza konnte nicht mit nach London kommen, weil sie in Schottland einen hübschen jungen Mann heiratet. Ich dachte, ich könnte dich vielleicht bitten, heute Abend Lizas Platz einzunehmen.«
Juliana sah erst Brighde, dann Eleanor an. Eleanor hielt ihr die Hand hin.
Zu dritt gingen sie zum Pianoforte.
Gabriel, der in sich in einen Winkel zurückgezogen hatte, erfüllte dieses Bild mit dem Gefühl, endlich eine richtige Familie zu haben. Lange Zeit hatte er gedacht, es wäre das Wichtigste auf der Welt für ihn, dass Juliana wieder sprach, aber Eleanor hatte ihm gezeigt, dass seine Tochter nicht verschroben oder gar verflucht war, sondern dass sie dasselbe zauberhafte Mädchen war wie früher. Durch Eleanors einzigartige Sichtweise hatte er gelernt, die Möglichkeit, nie wieder das Lachen und Singen seines kleinen Mädchens zu hören, hinzunehmen und nicht als Katastrophe anzusehen. Er hatte die Erinnerung an ihre Stimme und freute sich auf die Tage, die vor ihnen lagen. Das konnte ihm niemand nehmen.
Als Grace ihre Finger auf die Tastatur legte und Eleanor die Flöte, die genauso aussah wie die, die sie nach Schottland mitgenommen hatte, an die Lippen setzte, sah sich Gabriel im Salon um und betrachtete die Gesichter der Menschen, die jetzt zu seiner Familie gehörten. Alle hatten sich nach Kräften bemüht,
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