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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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machen. Ich hatte eigentlich eher an Schönschreiben oder Klavierspielen gedacht, vielleicht auch daran, dass sie lernt, ein anständiges Menü zusammenzustellen. Wie könnten Kenntnisse in Anatomie meine Tochter darauf vorbereiten, den Haushalt ihres zukünftigen Gatten zu führen?«
    Eleanor wehrte sich innerlich gegen diese nur allzu vertraute, engstirnige Vorstellung, dass es der größte Ehrgeiz einer Frau sei, eine gute Ehefrau, eine liebende Mutter und eine kultivierte Gastgeberin zu sein. Ihr ganzes Leben hatte sie gehört, dass Naivität bezaubernd und Hilflosigkeit eine erstrebenswerte Tugend sei, und gelernt, wie man die Finger beim Eingießen des Tees halten sollte - aber all das hatte ihr letzten Endes nur das Gefühl vermittelt, betrogen zu werden und entsetzlich verletzbar zu sein.
    Eine solche Erziehung war falsch, und Eleanor hatte nicht die Absicht, die nächste Generation auch noch darunter leiden zu lassen.
    »Offen gestanden, Mylord«, begann Eleanor und straffte die Schultern, um aufrechter sitzen zu können, »ich denke, dass eine Grundbildung in Anatomie einer Frau sehr von Nutzen sein kann - sogar mehr als einem Mann, wenn ich das hinzufügen darf, Sir. Wer hat denn die Aufgabe, neues Leben auf die Welt zu bringen? Um wie viel weniger erschreckend ist dieser Vorgang für eine Frau, wenn sie theoretische Kenntnisse hat und nicht mehr daran glaubt, dass der Storch oder eine gute Fee die Säuglinge nachts bringt und auf das Kissen der Mutter legt?«
    Eleanor hatte die Stimme erhoben, dass sogar Cudu sie erstaunt anschaute. Die Empörung hatte eine bezaubernde Röte in ihr Gesicht gezaubert, und der Enthusiasmus, mit dem sie ihre Meinung vertrat, ließ ihre Augen in tiefem Grün aufleuchten.
    Gabriel war nicht daran gewöhnt, dass ihm jemand so beherzt entgegentrat, und von einer Frau hätte er das am allerwenigsten erwartet. Fast jeder, der ihm begegnete, fürchtete sich schon vor seinem Anblick, und pflichtete jeder seiner Äußerungen bei, selbst wenn er ganz anderer Ansicht war.
    Immerhin war er der Teufel von Dunevin Castle.
    Aber diese Frau ...
    Er fragte sich unwillkürlich, wie es wohl sein würde, die Lippen, über die so vehemente Worte kamen, zu küssen, doch gleich darauf wunderte er sich, wie er auf solche Gedanken kommen konnte.
    Er wandte den Blick von Eleanor ab und betrachtete den Brief, den er bei ihrem Eintritt gelesen hatte - ein höflicher und wortreicher Bericht von seinem Londoner Anwalt George Pratt. Und eine gute Ablenkung von den Gedanken an diesen vollen, fein geschwungenen Mund.
    »Um ehrlich zu sein, Miss Harte, hier in Schottland glaubt man, dass die Feen in der Nacht kommen, um die Säuglinge zu stehlen, nicht um sie zu bringen ...«
    Die Gouvernante missdeutete seinen Versuch, sich von seinen Phanatsien zu befreien, und glaubte, er würde sich über etwas lustig machen, was für sie von großer Bedeutung war.
    Ihre Augen funkelten aufgebracht. »Spotten Sie, so viel Sie wollen, Sir, aber ich weiß, wovon ich spreche. Unwissenheit ist niemals ein Vorzug. Sie ist vielmehr eine Schwäche, die Frauen eher zu Opfern macht, statt sie zu schützen.«
    Als er ihren flammenden Blick und die geröteten Wangen sah, fragte sich Gabriel, welches Ereignis in ihrem Leben sie dazu gebracht haben mochte, die Last ihres Geschlechts als so schwer zu empfinden. Sie war zweifellos in der höheren Gesellschaft groß geworden. Ihre Manieren und ihre Ausdrucksweise verrieten das ganz deutlich und sie war weitaus gebildeter als viele ihrer privilegierten Geschlechtsgenossinnen.
    Aber wer war Miss Nell Harte? Woher kam sie? War sie verheiratet? Er wusste selbst nicht, wie das kam, aber für einen Augenblick heizte ihm dieser Gedanke richtig ein, und der Kragen seines Hemdes wurde ihm plötzlich zu eng.
    Was kümmerte es ihn, ob sie verheiratet war oder ob eine Horde Kinder zu Hause auf sie wartete? Offensichtlich wollte sie nicht an dem Ort sein, von dem sie gekommen war, und sie war sehr geeignet, Juliana feines Benehmen und alles andere beizubringen, was sie in der guten Gesellschaft brauchte.
    Zudem war sie die Einzige, die sich für die Stellung als Gouvernante beworben hatte.
    Wenn sie wollte, dass seine Tochter die Sternbilder oder die lateinischen Namen der Pflanzen, die auf der Insel wuchsen, auswendig lernte, was kümmerte es ihn? Sobald Julianas Ausbildung beendet war, würde Miss Harte ohnehin dorthin zurückkehren, woher sie gekommen war, und er konnte sein Leben in Einsamkeit

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