Weiße Nebel der Begierde
Donald Duncan MacNeill, einen seiner Pächter, zu begrüßen, der das Boot fahrtüchtig machte.
Die wenigen Mannschaftsmitglieder waren noch an Land, füllten die Frischwassertanks auf und verabschiedeten sich von ihren Frauen und Müttern, die sie drängten, zusätzlich warme Kleidung mitzunehmen, falls das Wetter umschlug.
Gabriel nahm sich die Zeit, zum östlichen Horizont zu spähen. In der Ferne sah man im Morgendunst die Erhebungen des Festlands, und dort hinter den verstreuten Inseln, den Inneren Hebriden, lag ihr Ziel, das malerische Küstenstädtchen Oban mit dem größten Hafen von Argyllshire.
»Dieser Wind wird uns eine schnelle Überfahrt ermöglichen«, meinte Gabriel.
»Aye, Mylord«, erwiderte Donald in seiner Muttersprache Gälisch, obwohl er wie Gabriel auch schon in frühen Jahren Englisch gelernt hatte. »Heute schaffen wir es bestimmt in einer guten Zeit.«
Donald war nur wenige Jahre jünger als Gabriel, der mittlerweile zweiunddreißig war, und war auf Trelay geboren wie sein Vater und dessen Vater vor ihm. Er hatte die Insel nur einmal für längere Zeit verlassen, als er mit siebzehn in einem der schlagkräftigen Argyllshire Highland-Regimenter diente, die auf der Halbinsel gegen Napoleon kämpften.
Donald war nach einem Jahr zurückgekehrt, nachdem er auf dem Schlachtfeld durch einen Schuss ins Bein verletzt wurde. Die Verwundung war inzwischen geheilt, aber ein deutliches Hinken war geblieben, und das hatte Donald auf der Insel den Spitznamen »der lahme Donald« eingebracht. Er steuerte das Schiff zweimal in der Woche als Kapitän zum schottischen Festland, brachte Passagiere nach Oban, holte die Post ab und kaufte die Dinge, die die Pächter brauchten und die auf der Insel nicht wuchsen oder hergestellt werden konnten. Als Gegenleistung für seine Bereitschaft, diese Aufgabe zu erfüllen, versorgten die anderen Pächter seine kleine Viehherde und die Schafe und stellten ihm Kartoffeln und Getreide zur Verfügung, von denen Donald und seine junge Familie im Winter leben konnten.
Als Gabriel an Deck des kleinen Segelschiffes stand, konnte er es kaum mehr erwarten, von hier wegzukommen. Er wollte keinen Moment dieses strahlenden Tages vergeuden. Die vier anderen Männer kamen an Bord und nahmen ihre Positionen ein. Kurz darauf waren sie bereit zum Ablegen.
»Soll ich helfen, das Schiff abzustoßen?«, fragte Gabriel und fasste bereits nach dem Seil, mit dem das Schiff an der Anlegestelle vertäut war.
»Aye, Mylord, das wäre ...«
MacNeill hielt inne und sah an Gabriel vorbei zu dem fernen Schlossberg. »Einen Moment, Mylord.«
Gabriel drehte sich um und entdeckte zwei Gestalten, die eilends in Richtung Mole liefen. Sie waren noch so weit weg, dass er sie nicht richtig erkennen konnte, aber er sah, dass die eine kleiner als die andere war und dass beide Umhänge trugen.
Die größere Gestalt fuchtelte mit den Armen -zweifellos, um die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen. Das ist genau das, was mir heute noch gefehlt hat, dachte Gabriel bitter.
»Huhu!«, rief eine helle Stimme, als die beiden näher kamen. »Guten Morgen, Lord Dunevin.«
Sie war atemlos nach dem schnellen Lauf und ihre Frisur hatte sich gelöst. Es leuchtete in der Sonne wie Herbstlaub und umrahmte die von der kalten Luft geröteten Wangen.
»Mairi hat mir gesagt, dass Sie heute zum Festland fahren«, sagte sie und bat mit dieser Bemerkung, wie Gabriel argwöhnte, um die Einladung, sich ihnen anzuschließen.
Gabriel richtete den Blick auf sie. »Ja, Miss Harte, wir wollten gerade ablegen.«
Falls er sich eingebildet hatte, dass sie diese unfreundliche Antwort abschrecken würde, hatte er sich getäuscht.
»Schön. Ich bin ja so froh, dass wir noch rechtzeitig gekommen sind.«
Ohne darauf zu warten, dass ihr jemand die Hand entgegenstreckte, kam sie behände an Deck, wirbelte mit raschelnden Röcken herum, um Juliana zu helfen.
Dann ging sie auf Donald zu und bot ihm zur Begrüßung die Hand an. »Wie geht es Ihnen? Ich bin Miss Harte, Miss Julianas neue Gouvernante. Ich dachte, dass wir beide heute mit Ihnen in die Stadt fahren könnten. Es ist ein so schöner Tag für eine Segelpartie.«
MacNeill nahm die zerlumpte Seemannsmütze ab und enthüllte seinen roten Haarschopf. Er grinste breit. »Donald MacNeill - stets zu Ihren Diensten, Miss Harte.«
Die Gouvernante erwiderte das Lächeln und bezauberte damit den schottischen Seebären und seine ganze Mannschaft. »Bitte, nennen Sie mich Nell.
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