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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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doch ihm wurde sofort klar, dass er das nicht durfte. Er hatte sich einen Augenblick des Glücks gestohlen, einen atemberaubenden Moment der Wärme und des Sonnenscheins in der Finsternis, die ihm überallhin folgte. Aber die düsteren Wolken der Wirklichkeit hüllten ihn rasch wieder ein.
    Egal, wie sehr er es sich auch wünschte, er konnte seinem Schicksal nicht entrinnen.
    Er war der Teufel von Dunevin Castle, der finstere Lord of Dunevin.
    Sie war ein sanftmütiges, schönes, strahlendes Geschöpf.
    Was hatte er ihr zu bieten außer Dunkelheit, Qualen und Elend - sein ererbtes Kreuz, das er zu tragen hatte?

Kapitel zehn
    In den folgenden zwei Wochen wurde fast jede freie Minute von den Vorbereitungen für den Michaelistag in Anspruch genommen. In der Schlossküche herrschte hektische Aktivität bis spät in die Nacht, und Eleanor und Juliana halfen mit, so oft sie konnten und nicht mit Unterricht oder anderem beschäftigt waren.
    Als Gouvernante wäre Eleanor nicht verpflichtet gewesen, sich an den Festvorbereitungen zu beteiligen, aber sie setzte sich über die Konventionen hinweg und stürzte sich in jede Arbeit, um immer etwas zu tun zu haben und nicht daran denken zu müssen, wie lächerlich sie sich bei Lord Dunevin gemacht hatte.
    Noch nicht einmal jetzt verstand sie, was an diesem unsäglichen Vormittag geschehen war, was sie dazu gebracht hatte, so unverschämt, so dreist zu sein und Lord Dunevin zu küssen.
    Zuerst hatte sie sich eingeredet, dass sie von seiner melodiösen, volltönenden Stimme und dem schönen Gedicht berauscht gewesen war. Sie sah seine glühenden dunklen Augen, die sie so intensiv angesehen hatten, und hörte die warme, schöne Stimme, die sie vergessen ließ, dass er aus einem Buch vorlas und nicht direkt zu ihr sprach.
    Erst später, als sie nachts wach lag und die wenigen magischen Augenblicke noch einmal durch-lebte, wurde sie sich bewusst, dass sie sich gewünscht hatte, er würde die Worte zu ihr sagen -sie hatte sich so sehr danach gesehnt, dass sie irgendwie überzeugt gewesen war, er hätte es wirklich getan.
    Als ob ein Mann wie er, ein gut aussehender, geheimnisvoller Adeliger, solche Worte an jemanden wie sie richten würde! Für den Viscount war sie kaum mehr als eine Dienstbotin - eine schrecklich törichte Dienstbotin -, auch wenn sie in Wahrheit von höherem Stand war.
    Wie war sie nur in eine so komplizierte Lage geraten? Für die Welt außerhalb dieser abgelegenen Insel war sie Lady Eleanor Wycliffe, die vermisste Erbin des Westover-Vermögens. Wäre sie ihm in einem Ballsaal in London begegnet und nicht auf dieser einsamen Insel, wäre dann alles anders? Sie fragte sich, was er denken würde, wenn er die Wahrheit wüsste.
    Selbst wenn er imstande wäre, sich über die Tatsache hinwegzusetzen, dass er ihr Dienstherr war, würde sie ihm irgendwann die Umstände ihrer Geburt darlegen müssen. Wie könnte ein Mann mit so nobler Ahnenreihe auch nur daran denken, sich mit der illegitimen Tochter eines Adeligen einzulassen? Sie schüttelte die beunruhigenden Gedanken ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf jemanden, der sie brauchte, auf Juliana, die auf einem hohen Stuhl am Küchentisch saß und Mairi half, den Haferkuchenteig fürs Abendessen auszurollen.
    Zum Glück hatte Juliana den schrecklichen Anfall auf dem Felsen überwunden und schon bald nahm sie an den Festvorbereitungen teil. Um weitere Aufregungen von ihr fern zu halten, vermied Eleanor bei Exkursionen die fragliche Region der Insel und blieb in der Nähe des Schlosses. Sie beschäftigten sich mit Literatur, Musik, Stickerei und anderen Dingen, die Eleanor ihrem Schützling beibrachte, damit sich die Kleine anders als mit Worten ausdrücken konnte.
    Mit Mairis und Donald MacNeills Hilfe machte sich Eleanor daran, das Schulzimmer neu zu streichen und die trostlose beige-grüne Farbe für immer hinter hellem Weiß zu verbannen.
    Die Wirkung war erstaunlich, doch Eleanor hatte noch eine andere Idee. Mit Naturfarben, die auch benutzt wurden, um Wolle einzufärben, kreierten sie und Juliana regelrechte Wandgemälde, um das Zimmer zu schmücken. Sie mischten die Farben, um neue Töne zu bekommen, und Eleanor überließ es Juliana, die Wände nach ihrem Geschmack zu dekorieren.
    »Der Schulraum ist dein Reich«, sagte Eleanor zu ihr und gab ihr einige kleine Pinsel aus Birkenreisig und Binsen, spitze Blätter und Federn, mit denen sie malen konnte. »Mal all das, wonach dir zumute ist.«
    Nach ein paar zaghaften

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