Weiße Nebel der Begierde
lachten und gratulierten ihr auf Gälisch, weil dieser Fund, wie man ihr klar machte, Glück verhieß.
Als sie nach getaner Arbeit ins Schloss zurückkehrten, wurden die Karotten geputzt, mit rotem Garn zu Bündeln zusammengebunden und zum größten Teil gelagert bis zu dem Festmahl, das ein paar Tage später stattfinden sollte.
In Dunevin war es allerdings Tradition, eine Karotte aus jedem Bündel auszuwählen und für das Abendessen am selben Tag zuzubereiten, wie Mairi erklärte.
Eleanor und Juliana halfen Mairi bis zum Spätnachmittag in der Küche und bereiteten eine besondere Mahlzeit zu, an der alle Leute aus dem Schloss, also der Viscount, Mairi, Fergus, Eleanor und Juliana, der Stallknecht Angus und auch Donald MacNeill und seine Familie teilnehmen würden. Diese kleine Feier war seit Generationen Brauch in der Familie des Lairds. Das große Fest, an dem alle Inselbewohner teilhatten, sollte am darauf folgenden Freitag stattfinden.
Als junges Mädchen hatte Eleanor nie gesehen, welche Arbeiten in einem Haushalt wirklich verrichtet wurden. Die Trennung zwischen Dienstboten und Herrschaft wurde immer strikt eingehalten, und sie war kaum einmal in die unteren Gefilde des Hauses Wycliffe vorgedrungen, wo die Küche und die Wirtschaftsräume untergebracht waren.
Bevor Eleanor nach Trelay gekommen war, hatten sich ihre hausfraulichen Tätigkeiten darauf beschränkt, der Köchin Anweisungen zu geben, was für die jeweilige Mahlzeit zubereitet werden sollte. Doch hier in Dunevin fasste sie in den weichen Haferkuchenteig, knetete ihn eigenhändig und rollte ihn aus, um ihn dann zu schneiden. Sie backte ihn auch selbst und drehte ihn - nur einmal - auf dem eisernen greideal. Der Kuchenduft mischte sich mit der rauchigen Hitze des Torffeuers, das im Herd knisterte.
Die Gemeinschaft und das Gefühl dazuzugehören, wirkte sich nicht nur auf Eleanor aus, sondern auch auf Juliana. Auch jetzt, als sie gemeinsam in der Küche standen - mit Schürzen von Mairi und mehlbestäubten Gesichtern -, schimmerte Freude in Julianas dunklen Augen, und das war etwas ganz Außergewöhnliches.
Als Eleanor ihr zusah, wie sie gewissenhaft die runden Kuchen ausstach, wurde ihr bewusst, dass dieser wunderschöne Ort und dieses bezaubernde, melancholische Kind ihr Herz in kürzester Zeit erobert hatten.
Es kam ihr vor, als wäre ihr Leben bisher nur eine Zwischenstation gewesen, eine Art Rast auf einer Reise zu einem Ort, an dem sie ...ja, was finden würde?
»Sieht aus, als wäre alles so weit, dass wir servieren können«, sagte Mairi und riss Eleanor damit aus ihren Gedanken, noch bevor sie die Frage genauer ergründen konnte.
Eleanor und Juliana nahmen rasch ihre Schürzen ab und wuschen sich an der Waschschüssel in der Ecke das Mehl von den Gesichtern und Händen. Mairi reichte Juliana einen Weidekorb mit den frischen, noch warmen Haferkuchen, die mit einem Leintuch zugedeckt waren.
»Das kannst du tragen, Kleines. Miss Harte, Mrs MacNeill und ich, wir kümmern uns um den Rest.«
Zu viert gingen sie von der Küche durch den weinumrankten Säulengang zum Hauptturm des Schlosses.
Lord Dunevin und die anderen hatten sich bereits im Speisezimmer um den großen gemauerten Kamin versammelt. Der große Tisch war frisch poliert und mit feinem Porzellangeschirr und silbernen Kandelabern gedeckt. Etliche der Anwesenden hatten so etwas sicher noch nie zu Gesicht bekommen.
Die Nacht war schon angebrochen und der Mond schien hell an dem ungewöhnlich wolkenlosen Himmel. Ein sanfter Wind blies von der Förde auf die Insel. Es war ein schöner Abschluss eines angenehmen Tages.
»Zeit zum Abendessen«, rief Mairi vergnügt, als sie und Seona die Speisen auf den Tisch stellten, die nur aus Produkten der Insel zubereitet worden waren.
Es gab kail borse, eine Art dünnes Porridge mit Gemüse, Hering und Kartoffeln, gebratene Moorhühner, gedünstete Rüben und das traditionelle Haggis, das, wie Mairi beteuert hatte, viel besser schmeckte, als es aussah, dazu warme Haferkuchen und verschiedene Brötchen und zum Nachtisch eine Preiselbeertorte und ein Flammeri.
Als Vorspeise gab es Karotten, die an diesem Tag geerntet und in einer würzigen Brühe gegart worden waren.
Fergus servierte, während Mairi und Seona noch die verschiedenen Schüsseln und Platten auf den Tisch stellten. Donald MacNeill der Jüngere setzte sich neben Juliana, und Eleanor nahm ihnen gegenüber Platz neben der Stirnseite des Tisches, die dem Viscount Vorbehalten war.
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