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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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den Himmel bedeckten.
    Im Schlosshof stand Mairi mit ihrer Schürze und warf den Hühnern Futter zu, während Angus, der Stallknecht, ihr von der offenen Stalltür aus zusah.
    Jeden Tag entstand etwas Neues auf dem Wandgemälde, und wenn Eleanor dachte, es wäre fertig, nahm Juliana wieder einen Pinsel und fügte etwas hinzu.
    Erst am Vortag hatte sie lange an der kleinen Robbe gemalt, die ihnen oft folgte und den runden Kopf aus dem Wasser streckte, wenn sie an der Küste entlang spazieren gingen. Und an diesem Morgen skizzierte sie ein paar andere Gestalten, diesmal standen zwei Personen dicht beieinander am Rand des Wassers, während eine dritte von einem Felsvorsprung winkte.
    Zuerst hatte Eleanor gedacht, die beiden Figuren am Wasser wären sie und Juliana, wie sie mit gerafften Röcken ins seichte Wasser wateten wie schon einige Male, um für Mairis Stew Strandschnecken zu sammeln. Das Wasser war so kalt gewesen, dass ihre Zehen noch eine ganze Stunde danach geprickelt hatten.
    Aber Juliana malte die winkende Gestalt mit dunklen Haaren und Augen und einem blassgrünen Kleid, wie sie selbst eines hatte. Die anderen beiden Menschen am Strand waren vermutlich Eleanor und der junge Donald, der sich gerade heute zu ihnen gesellt hatte.
    Juliana beschäftigte sich gerade mit diesem Teil des Gemäldes, beugte sich nah an die Wand und zeichnete etwas mit einem Federkiel, den sie in schwarze Farbe getaucht hatte, und Eleanor beschäftigte sich mit ihren Gälisch-Studien, als Fergus unvermittelt auf der Türschwelle stand. Sein wettergegerbtes Gesicht wurde fast völlig von der zerschlissenen blauen Schottenmütze verdeckt.
    »Mairi sagt, es ist Zeit, den struan-Kuchen zu backen.«
    Eleanor nickte. Sie hatte ganz vergessen, dass sie Mairi gebeten hatte, sie und Juliana beim Backen des traditionellen Michaelis-Kuchens helfen zu lassen.
    »Danke, Fergus. Wir kommen gleich runter.«
    Als sie ihr Buch weglegte, bemerkte sie, dass der alte Schotte Julianas Wandgemälde interessiert betrachtete.
    »Es ist sehr schön, nicht wahr?«
    »Aye«, antwortete er und durchbohrte Juliana, die sich zu ihm ungedreht hatte, förmlich mit einem Blick. »Mit viel Ähnlichkeiten, wirklich.«
    Juliana wandte sich ab, räumte ihre Farben und Pinsel auf.
    »Hat der Laird das schon gesehen?«, erkundigte sich Fergus.
    »Noch nicht. Ich dachte, wir zeigen es ihm erst, wenn Juliana fertig damit ist.« Der spöttische Ausdruck in Fergus’ Augen weckte ihre Zweifel. »Meinen Sie, Lord Dunevin wird böse, weil wir die Wand bemalt haben, ohne ihn vorher zu fragen?«
    Fergus zuckte mit den Schultern. »Ich hab keine Ahnung, was dem Laird gefällt und was nicht. Er ist der Einzige, der Ihnen das sagen kann.«
    Damit drehte er sich um und schlurfte davon.
    Der Mann war immer so kurz angebunden und äußerte nie mehr, als nötig war. Anfangs hatte Eleanor sich eingebildet, er könnte sie nicht leiden, weil er so schroff und manchmal sogar richtig abweisend war. Mittlerweile hatte sie jedoch gemerkt, dass er mit allen so umsprang.
    Eleanor sah zu Juliana, die am Fenster stand und mit einem Mal einen unsicheren Eindruck machte. »Oh, keine Angst, Juliana. Ich bin sicher, dass dein Vater nichts dagegen hat, wenn wir ein Bild auf die Wand malen. Wenn er sieht, was für ein wunderbares Werk du vollbracht hast, ist er bestimmt dankbar, dass wir das Zimmer so verschönert haben.« Das schien sie zu besänftigen und Eleanor lächelte. »Hast du die Pinsel sauber gemacht und alles aufgeräumt?«
    Juliana nickte und sie machten sich zusammen auf den Weg hinunter in die Küche.
    Die Küche war hell erleuchtet mit vielen Kerzen, Öllampen und Laternen, und die Hitze des Herdfeuers empfing sie schon auf dem Korridor. Die angenehmen Düfte von frisch Gebackenem und Kräutern würzten die Luft. Mairis Töchter Alys und Sorcha, beide robust und ebenso zugänglich wie die Mutter, waren da und packten tatkräftig mit an.
    Obwohl beide Männer vom Festland geheiratet hatten, besuchten die jungen Frauen ihre Mutter oft und kamen seit dem Tod ihres Vaters vor fünf Jahren mindestens einmal in der Woche mit Donald MacNeills Schiff auf die Insel. Mairi bewohnte, seit sie Witwe war, nicht mehr das Cottage auf dem Pachtgrund, sondern zwei Zimmer neben der Küche im Schloss.
    Sorcha, die das dunkle Haar und die hohe Stirn vom Vater geerbt haben musste, war die ältere und hochschwanger mit Mairis erstem Enkelkind. Sie war ein Bild mütterlicher Zufriedenheit, wenn sie mit

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