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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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sanftmütigem Blick die Hand auf den gewölbten Bauch legte. Und die Familie war noch mehr gesegnet, denn Alys, die ein paar Jahr jünger als ihre Schwester, auch jünger als Eleanor, war und ihrer Mutter sehr ähnlich sah, hatte in dieser Woche verkündet, dass auch sie guter Hoffnung sei und im späten Frühjahr ein Kind auf die Welt bringen würde.
    Eleanor beobachtete die beiden oft - beide verheiratet und im Begriff, eine Familie zu gründen - und überlegte voller Wehmut, ob sie jemals erfahren würde, wie es war, Frau und Mutter zu sein ...
    »Ich denke, wir sind jetzt so weit«, sagte Mairi und reichte Eleanor und Juliana je eine ihrer großen Schürzen.
    Das Backen des traditionellen Michaelis-struan wurde regelrecht zelebriert und war genauso bedeutsam wie der Kuchen an sich, der strikt nach überliefertem Rezept zubereitet werden musste.
    Hafer, Gerste und Roggen wurden zu gleichen Teilen in der großen runden Steinmühle zu Mehl gemahlen. Es war Brauch, dass die älteste Tochter den Kuchen backte. Dieses Jahr übertrug Mairi Juliana die ehrenvolle Aufgabe, zeigte ihr, wie man das Mehl mit Milch befeuchtete, wie viel Gewürze und Honig hinzugefügt werden mussten und wie man die traditionelle dreieckige Form zustande brachte, ehe man den Kuchen auf einem heißen, flachen Stein backen ließ.
    Das Feuer wurde zu dieser Gelegenheit nicht mit Torf, sondern mit symbolträchtigen Zweigen geschürt, die am selben Tag gesammelt worden waren, Zweigen von Eichen, Ebereschen und Brombeersträuchern, die auf der Insel als heilig galten. Während der Teig aufging, nahmen Mairi und Juliana je drei zusammengebundene Federn, die einem der Hähne ausgerissen worden waren, und strichen damit mit Rahm und Butter verkleppertes Ei auf den Kuchen. Der cremige Belag glänzte im Licht des Feuers.
    Der große struan würde auf dem morgigen Fest aufgeschnitten werden und jeder bekam etwas davon. Aus dem übrig gebliebenen Mehl wurden kleinere Kuchen geformt für die Familienmitglieder, die abwesend oder verstorben waren.
    Als Mairi ihre winzigen Kuchen aufstellte und dabei leise die Namen ihrer Lieben nannte, dachte Eleanor voller Trauer an die bittere Trennung von ihrer eigenen Familie.
    So oft in den vergangenen Wochen hatte Eleanor versucht, an ihre Mutter zu schreiben, zahllose Briefe angefangen, um Lady Frances zu versichern, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, aber sie fand einfach nicht die passenden Worte.
    Was sollte sie schreiben? Wenn sie preisgab, wohin es sie verschlagen hatte, würden Lady Frances und Christian unverzüglich nach Trelay kommen, um sie zurückzuholen, zurück in ein Leben, das ihr nur noch falsch vorkam. In Wahrheit war Eleanor nicht bereit zurückzugehen, nicht jetzt, noch nicht. Juliana machte solche Fortschritte, gerade in den letzten Tagen. Sie brauchte Eleanor, aber noch mehr brauchte Eleanor Juliana.
    Eleanor erkannte sich selbst in Juliana wieder. Obwohl sie nie den Willen zu sprechen verloren hatte, schien es ihr so, als hätte ihr niemand mehr zugehört, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Sie hatte nur das gesehen, was andere sie sehen lassen wollten, hatte getan, was man von ihr erwartete, ohne nachzudenken oder Fragen zu stellen. Erst jetzt war ihr klar, warum sie den Duke, ihren Großvater, nie besucht hatten, obwohl er in London nicht einmal eine Meile von ihnen entfernt wohnte. Und ihr wurde auch bewusst, dass immer versteckte Feindseligkeit und bitterer Groll unter der Oberfläche gebrodelt hatten.
    Diese Erkenntnis hatte Eleanor geholfen, sich mit den wahren Umständen ihrer Geburt abzufinden und ihrer Mutter und Christian die Entscheidung zu verzeihen, ihr die Fakten verheimlicht zu haben. Wäre Christian unter derartigen Umständen auf die Welt gekommen, könnte Eleanor nicht sagen, ob sie dieselben Opfer gebracht hätte, um ihn zu schützen. Die Gesellschaft war grausam, wenn jemand mit einem Makel behaftet war; und genauso wie Juliana wegen ihres Schweigens geschnitten wurde, würde man Eleanor wegen ihrer unehelichen Geburt ausstoßen. Und wie leicht hätte sie dasselbe Schicksal erleiden können wie ihre Mutter - verheiratet zu sein mit einem Mann, den sie nicht liebte, und tagein, tagaus Unglück und Missstimmung. Wie viele ihrer Freundinnen aus Miss Effingtons Institut mussten sich mit einem solchen Leben zufrieden geben? Sehr viele - sogar Amelia B. war das nicht erspart geblieben.
    Nach Michaelis, wenn die Erntezeit vorbei war und das Leben auf der Insel

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