Weiße Nebel der Begierde
Licht und noch weniger Wärme spendete.
Ein paar Fischerkähne näherten sich der Küste, um den Fang nach Hause zu bringen. Im Südwesten konnte man gerade noch im Dunst die Berge von Donegal in Irland erkennen, die sich wie Inseln am Horizont erhoben.
Trelay war seit fast vierhundert Jahren die Heimat der MacFeaghs, aber der Clan hatte schon lange, lange vorher Wurzeln auf den Inseln geschlagen; doch die Geschichte, wann der erste MacFeagh auf die Hebriden gekommen war, war im Nebel der Zeiten verloren gegangen.
Einer uralten Legende zufolge war St. Columba nach der Verbannung aus seinem Geburtsland Irland zum ersten Mal auf Trelay, »der Insel der Verbannten«, wie sie auch genannt wurde, und auf den Nachbarinseln Colonsay und Oronsay an Land gegangen. Der Heilige hatte erwogen, hier sesshaft zu werden und weiterhin Gottes Werk auf Erden zu tun. Aber als er auf einen Hügel stieg -vielleicht sogar auf denselben, auf dem jetzt Gabriel stand - und die Umrisse seines geliebten Heimatlandes im Dunst sah, machte er sich auf zu der weiter nördlich gelegenen Insel Iona und schwor sich, nie mehr in Sichtweite seiner Heimat zu kommen. Bevor er Terlay verließ, gründete er jedoch eine Priorei, deren Ruinen noch immer an der Westküste zu sehen waren; sie waren die letzten Überreste eines viel frömmeren Zeitalters auf dieser vom Glück nicht gerade begünstigten Insel.
»Wer wartet im Schloss auf mich, Fergus?«, erkundigte sich Gabriel schließlich. Der Hund kam zu ihm, und Gabriel kraulte ihm den struppigen Kopf, der Fergus bis zur Brust reichte. »Doch nicht Clyne, mein Verwalter, der die Pacht eintreiben will? Es sind noch vierzehn Tage bis zum Michaelistag.«
Fergus schüttelte den Kopf und stieß mit dem Fuß das Gestrüpp beiseite. »Nee, Laird, ’s ist ein Mädchen, das mit Ihnen reden will.«
»Ein Mädchen?« Gabriel blieb stehen. »Ist sie verrückt?«
Cudu zuckte zusammen.
Fergus grinste unter seinem buschigen grauen Bart.
»Nee, Laird, sie sieht aus, als hätte sie ihren Verstand beisammen. Sie sagt, sie kommt von Oban, weil sie Ihre Anzeige gelesen hat, mit der Sie eine Gouvernante für Miss Juliana suchen.«
Eine Gouvernante, Gabriel hatte schon fast ver-gessen, dass er vor fast einem Jahr, als die letzte Gouvernante, Miss Bates, unglücklicherweise ihren Dienst quittiert hatte, überall auf dem Festland Anzeigen aufgehängt hatte. Miss Bates war nur eine von vielen gewesen, aber Gabriel hatte es immerhin geschafft, sie sechs Monate - länger als die meisten anderen - im Hause zu halten.
Die Kündigungen und Einstellungen waren schon fast zur Routine geworden. Wenn er endlich eine geeignete Person fand, die bereit war bis nach Trelay, einem der entlegensten Orte Schottlands, zu reisen, kamen sie wenige Monate, manchmal sogar nur Wochen nach ihrer Ankunft zu ihm, erzählten ihm eine traurige Geschichte von einer kranken Tante oder hinfälligen Großmutter, die plötzlich Pflege brauchte, und erklärten ihm, dass sie augenblicklich aufbrechen müssten.
Anfangs hatte Gabriel ihnen diese Geschichten abgenommen, ihnen sogar die Fahrt zurück nach Edinburgh bezahlt, aber dann merkte er, dass sie beim Abschied alle den gleichen Ausdruck in den Augen hatten.
Als Miss Bates vor einem Jahr abreiste, erkannte er, dass dieser Blick Angst verriet.
Nach Miss Bates hatten Gabriels Bemühungen, eine Gouvernante für seine Tochter zu finden, keinerlei Erfolg mehr gezeitigt, obwohl er sich sogar in London und Frankreich erkundigt hatte. Wie es schien, hatte sich die finstere Geschichte der Insel bis über die Landesgrenzen hinweg herumgesprochen. Er hatte die Suche aufgegeben und sich damit abgefunden, dass seine Tochter nie eine andere Welt kennen lernen würde als diesen unheilvollen, verlassenen Ort, und jetzt tauchte eine Fremde wie aus dem Nichts auf und mit ihr ein neuer Hoffnungsschimmer.
Bei diesem viel versprechenden Gedanken fiel Gabriels Blick auf seine Hände, die noch blutverschmiert von dem Kadaver der Pfauhenne waren. Eine Vision von den entsetzten Gesichtern der früheren Gouvernanten blitzte vor seinem geistigen Auge auf. Er wandte sich Fergus zu, der ihm nicht von der Seite gewichen war.
»Bitte Mairi, unserem Gast einen Tee zu kochen, während ich mich wasche. Es wäre nicht gut, wenn die Lady dem Teufel von Dunevin Castle begegnet, bevor sie Gelegenheit hatte, ihre Sachen auszupacken.«
Sie war regelrecht umzingelt von ihnen.
Eleanor spürte ihre starren Blicke von allen Seiten. Sie
Weitere Kostenlose Bücher