Weiße Nebel der Begierde
Herrick. Und überreiche den Brief nur dem Earl persönlich.«
Das Landhaus der Herricks, Hardey Manor, war nur zwei Meilen vom Westover-Landsitz entfernt.
Christopher wandte sich an Frances. »Hast du gedacht, ich würde mich deiner entledigen, als ich die Pistolen aus dem Schreibtisch nahm? Tut mir Leid, wenn ich dich enttäusche, ich beabsichtige, deinen Liebhaber heute Nacht zu töten.«
Frances stand entsetzliche Angst aus. »Bitte, Christopher, tu das nicht.«
Er öffnete den Pistolenkasten und nahm eine der verzierten Duellpistolen heraus. »Verschonen Sie mich mit der Sorge um Ihren Geliebten, Madam.«
»Ich sorge mich nicht um ihn, Christopher, sondern um dich. Du denkst nicht mehr klar.«
»Genauso wenig wie du, als du die Beine für einen anderen breit gemacht hast.«
Frances zuckte bei diesen scharfen Worten zusammen, die sie bis ins Mark trafen. »Sei vernünftig, bitte. William ist ein ausgezeichneter Schütze.«
»Das sollte jeder Mann sein, der mit der Frau eines anderen schläft und gleichzeitig den betrügt, den er einen Freund nennt.«
Frances unternahm einen letzten Versuch. »Christopher, wenn du schon nicht auf mich Rücksicht nehmen willst, dann denk doch wenigstens an Louise. Tu ihr das nicht an. Sie hat einen kleinen Sohn.«
Er schnaubte nur; mittlerweile war er jenseits aller Vernunft. »Wenn dir Louises Gefühle so am Herzen liegen, hättest du nicht zu ihrem Mann ins Bett steigen dürfen. Weiß die gute Lady Herrick überhaupt, dass die Frau, die sie seit Kindesbeinen an als ihre beste Freundin betrachtet, ein Kind von ihrem Mann erwartet? Sag mir, liegt Herrick in diesem Moment in Hartley Manor vor ihr auf den Knien und erleichtert sein Gewissen?«
Frances starrte ihn wortlos an.
»Dachte ich’s mir doch. Der Kerl ist ein zu großer Feigling, um zu seinen Übeltaten zu stehen. Herricks Frau sollte mir dankbar sein. Ich tue ihr einen Gefallen, weil sie nie wie ich erfahren wird, wie qualvoll es ist, wenn einem das Herz entzweigerissen wird.«
Frances blieb nichts anderes übrig, als hilflos am Fenster ihres Schlafzimmers zu stehen und den Aufbruch von Christopher, seinem Vater und dem neunjährigen Christian zu beobachten, der aus dem Schlaf gerissen worden war, damit er sich das Spektakel mit ansah und erfuhr, was seine Mutter getan hatte. Die drei verschwanden bei Tagesanbruch in der Dunkelheit des Wiltshire Morres.
Stunden später, als nur zwei der drei lebend zurückkamen, stand sie immer noch am Fenster. Christophers Leichnam lag über dem Rücken seines Pferdes.
Trotz der schrecklichen Tragödie bedauerte Frances nicht alles, denn aus dem Leid, dem Kummer und dem Verlust war ihre wunderbare Tochter hervorgegangen.
Seit der Nacht, in der Eleanor geboren und in Frances’ Arme gelegt wurde, war sie wie ein kleiner Engel. Eleanor kam sechs Monate nach Christophers Tod auf die Welt, und die Schwangerschaft und die Treue ihres Sohnes waren das Einzige gewesen, was Frances am Leben erhalten hatte. Christian, der außergewöhnlich reif und klug für seine zehn Jahre war, hatte sofort die Rolle als Frances’ Beschützer übernommen und tat, was er konnte, um Schaden von seiner kleinen neugeborenen Schwester abzuwenden.
Er war ihr ein Bruder, ein Freund und Vater, und er machte Frances nie Vorwürfe wegen der Entscheidungen, die sie in der Vergangenheit getroffen hatte. Eleanor war zu einer intelligenten, liebenswürdigen jungen Frau herangewachsen, die eine viel versprechende Zukunft vor sich hatte - bis vor wenigen Monaten, als die Fassade zerbröckelte und ihr die Wahrheit nicht länger verheimlicht werden konnte.
Nachdem Christian ihr notgedrungen von den Ereignissen vor ihrer Geburt erzählt hatte, war Eleanor bei Nacht und Nebel fortgelaufen. Sie hatte nicht geschrieben und war von niemandem gesehen worden, trotz der Belohnung, die für ihre Auffindung ausgesetzt wurde, und der Nachforschungen, die sowohl Christian als auch der alte Duke, den das Gewissen wegen seiner Rolle in der Tragödie schwer plagte, eingeleitet hatten.
Elias Wycliffe, der vierte Duke of Westover, hatte den größten Teil seiner dreiundsiebzig Jahre damit zugebracht, die Macht, die ihm sein Wohlstand und der glanzvolle Titel verliehen, zu missbrauchen. Für Außenstehende war er ein gescheiter Mann, der durch kluge Investitionen und ein genügsames Leben ein Vermögen angehäuft hatte, dessen Ausmaß nicht einmal der Krone bekannt war. Für die Familie war er ein Tyrann und Diktator, der die
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