Weiße Stille
sich auf einem tragbaren DVD-Player einen Film an. Als Bob und Ren ins Zimmer kamen, nahm er die Kopfhörer ab.
»Hallo, Denis«, sagte Bob. »Ich sehe deinen verdammten Namen jede Woche in der Zeitung, und jetzt das hier.« Er warf die Summit Daily News auf Lascos Bett. »Das hier werden die Einwohner unseres Städtchens morgen beim Frühstück lesen. Diesmal bringst du nicht die schlechte Nachricht – du bist die schlechte Nachricht.«
»Stimmt, ich bin die schlechte Nachricht als Opfer eines Lawinenunglücks«, sagte Lasco. »Ein fast tödlicher Schlag.«
»Diese junge Dame hier ist Special Agent Ren Bryce von der Rocky Mountain Safe Streets in Denver«, sagte Bob. »Zum Glück muss ich das nicht jeden Tag sagen. Sie wird noch mit dir sprechen – nicht jetzt, aber ich dachte, ich mache euch schon mal bekannt.«
»Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Lasco.
»Ganz meinerseits«, sagte Ren. »Wie geht es Ihnen?«
»Na ja, es geht so.« Lasco hob die Schultern und zuckte zusammen. Dann nahm er die Zeitung und blätterte sie auf.
»Lies mal, was ich der Presse Nettes über dich erzählt habe«, sagte Bob.
Lasco blickte auf den Artikel. »›Wir wussten, wir hatten eine Leiche und möglicherweise einen Tatort‹«, las er laut vor. »›Trotz gefährlicher Schneeverhältnisse, die später zu der folgenschweren Lawinenkatastrophe führten, stieg Denis Lasco unerschrocken den Quandary Peak hinauf, um seinen Job auf beispielhafte Art und Weise zu erledigen …‹« Er hob den Blick zu Bob. »Du machst mich ja direkt zum Helden.« Er blickte Ren an und zwinkerte ihr zu. »Dabei hat das Sheriffbüro mich regelrecht den Berg raufjagen müssen.«
»Wir sprechen gleich mit Patrick Transom, dem Bruder des Opfers«, sagte Bob. »Kannst du uns ein paar Informationen geben?«
»Du meinst, um den Schlag abzumildern? So etwas wie: ›Sie hat nicht gelitten?‹«
»Zum Beispiel. Du bist der Gerichtsmediziner.«
»Tut mir leid«, sagte Lasco. »Ich würde dir gerne etwas Näheres sagen, aber da müsste ich lügen, und das werde ich auf keinen Fall.« Er wedelte mit der Zeitung. »Schließlich bin ich ein Held.«
»Weißt du, im Grunde bist du ein Weichei«, sagte Bob. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es schon mal jemanden gegeben hat, der von einer Leiche umgehauen wurde.«
»He, ich bin rekonvaleszent. Nimm Rücksicht auf meine Nerven.«
Bob verdrehte die Augen. »Du gibst dir wirklich alle Mühe, mir auf den Senkel zu gehen.«
Lasco lachte. »Diese Aussicht hat mich am Leben erhalten.«
10.
Patrick Transom wohnte mit seiner Frau und den gemeinsamen vier Kindern in einem fast vierhundert Quadratmeter großen Blockhaus in Vail, dreißig Minuten von Breckenridge entfernt. Bob fuhr langsam die steile, gewundene Einfahrt hinauf und parkte den Wagen.
»Wow«, sagte Ren, als sie ausstieg. »Hübsch«, fügte sie hinzu, ohne eine Miene zu verziehen, falls jemand am Fenster stand und sie beobachtete.
»Aber wie meine Mutter immer zu sagen pflegte: Man kriegt nichts geschenkt«, sagte Bob.
»Stimmt.« Ren knöpfte den obersten Knopf ihrer Jacke zu und steckte die Hände in die Taschen.
Sie stiegen die Stufen hinauf und klingelten. Ein Mann in einem blau karierten Hemd und einer Jeans öffnete ihnen.
»Patrick Transom?«, fragte Bob.
»Ja. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin Sheriff Bob Gage, Summit County, und das ist Agentin Ren Bryce vom FBI.«
Transoms Blick wanderte zwischen ihnen hin und her. »Ja, aber …«
»Können wir reinkommen?«, fragte Bob.
»Natürlich. Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit. Um was geht es denn? Stimmt was nicht?«
Bob legte eine Hand auf die Klinke und ging an Transom vorbei ins Haus. Ren folgte ihm.
»Setzen Sie sich bitte, Mr. Transom«, sagte Bob.
Transom nahm Platz. Er schaute Bob flehend an. Sein sechster Sinn sagte ihm, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
»Sie haben vielleicht schon davon gehört«, begann Bob, der Ren einen Stuhl heranzog und sich neben sie setzte, »dass auf dem Quandary Peak ein Leichnam gefunden wurde.«
Transom nickte. »Ja, ich habe davon gehört.«
Bob schaute ihm in die Augen. »Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber wir vermuten, dass es der Leichnam Ihrer Schwester Jean war.«
»Aber der Leichnam ist verschwunden«, entgegnete Transom. »Ich habe es in den Nachrichten gehört. Woher wollen Sie da wissen, dass es meine Schwester gewesen ist?« Er hob die Hände, um es zu unterstreichen – kein Leichnam, keine
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