Weiße Stille
weshalb er mich gebeten hat, Ihnen die Leitung der Ermittlungen zu übertragen?« Paul Louderback war der Chef der Abteilung Gewaltverbrechen in der FBI-Zentrale in D.C.
»Hat er das?«, sagte Ren kauend.
»Haben Sie mit dem Typen im Bett gelegen?«, fragte Gary.
»He, Sie reden wirklich nicht um den heißen Brei herum. Nein«, sagte Ren und wiederholte es dann, ziemlich verärgert: »Nein!«
Gary warf ihr seinen Lügendetektorblick zu. Ren erwiderte ihn mit einem offenen, ehrlichen Blick.
»He, da ist die Straße«, sagte sie und zeigte auf die Fahrbahn.
»Ist ja gut«, erwiderte Gary. »Hören Sie, ich weiß nicht, ob ich es Ihnen ersparen kann …«
»Und ich weiß nicht, ob ich möchte , dass es mir erspart bleibt. Wenn Paul will, dass ich den Fall übernehme …«
Als Gary den Wagen vor ihnen überholte, ließ seine aggressive Fahrweise seine Wut erkennen. »Was haben Sie für eine Beziehung zu Paul Louderback, wenn ich fragen darf?«, wollte er wissen.
Ren hatte sich in Louderback verliebt, gleich als sie ihm zum ersten Mal begegnet war.
»Er war einer meiner Ausbilder in Quantico«, sagte sie. »Und anschließend war er mein Vorgesetzter.«
Und verheiratet. Und Vater zweier Kinder. Und zehn Jahre älter als ich. Und gut aussehend, freundlich und intelligent. Und unerreichbar.
Schon am zweiten Tag der Ausbildung hatte Louderback sie gelobt, weil sie gegen einen Mann, der fast doppelt so viel wog wie sie, bei einem Zweikampf nicht aufgegeben hatte. Ren war so glücklich über das Kompliment gewesen, dass es ihr glatt die Sprache verschlagen hatte.
Sie stand auf keinen bestimmten Männertyp. Sie wusste allerdings genau, auf welche Männer sie nicht abfuhr, und das waren Typen wie Robbie Truax. Sie führte allerdings auch keine Suchaktionen durch, um bei einem Mann das zu finden, worauf sie aus war. Entweder er hatte es, oder er hatte es nicht. Paul Louderback hatte es definitiv. Sicher, er war verheiratet, doch als Ren begriffen hatte, dass es zwischen ihnen niemals eine engere Bindung geben würde, konnte sie ihre Beziehung umso mehr genießen.
»War Louderback für Ihre hervorragenden Beurteilungen verantwortlich?«, fragte Gary.
»Ja. Und ihm verdanke ich meine Auszeichnungen.«
Ren drehte sich zum Fenster um und schaute auf die vorbeifahrenden Autos. Sie versuchte, die weißen Fahrzeuge zu zählen. Dann die Grünen und Roten. Ihr Herz schlug ein wenig zu schnell. Ren war sicher, dass eine persönliche Beziehung Paul Louderbacks Entscheidung nicht beeinflusst hätte. Er war Profi. Aber sie wusstenicht, weshalb er nun wollte, dass sie die Leitung der Ermittlungen übernahm.
Ihr Handy klingelte – eine SMS. Ren las sie und steckte das Handy wieder in die Tasche.
»Übernachten wir heute in Breckenridge?«, fragte sie.
»Ich wollte eigentlich in der Wohnung in Frisco übernachten. Sie sind herzlich eingeladen, sich mir anzuschließen.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich ablehne? Ich würde gerne in Breckenridge übernachten. Im Firelight Inn.«
»Hat das einen bestimmten Grund?«
Ich habe gerade eine SMS von Paul Louderback bekommen, der es angeordnet hat.
»Nun, ich habe keinen Wagen, und wenn Sie zu einem anderen Einsatz gerufen werden, kann ich wenigstens zu Fuß zum Büro des Sheriffs, wenn es sein muss.«
Gary warf ihr einen Blick zu. »Man wird Ihnen dort bestimmt einen Wagen zur Verfügung stellen.«
»Wahrscheinlich. Aber wenn nicht, kann man im Firelight Inn großartig übernachten.«
Gary gab sich geschlagen.
9.
Das Büro von Sheriff Bob Gage war sauber und aufgeräumt. Auf seinem Schreibtisch lagen ein Notizblock und eine Akte. Sein Computer stand auf einem Tischchen neben dem Schreibtisch. Auf den Aktenschränken hinter ihm waren Familienfotos zu sehen, darunter vier lächelnde Mädchen und Jungen.
Bobs Stellvertreter ließ Ren und Gary herein.
Bob stand auf. »Guten Tag, Ren«, sagte er und umarmte sie flüchtig. »Hallo, Gary.« Er schüttelte ihm die Hand.
»Sie sind aber schnell wieder zurück im Job«, sagte Ren.
»Ich hatte keine andere Wahl. Kennen Sie Tiny Gressett und Todd Austerval?«
»Wir sind uns schon mal begegnet«, sagte Gary und drückte beiden Männern die Hand. »Schrecklich, was mit Jean passiert ist.«
»Ja«, sagte Gressett. »Ich kann es noch immer nicht fassen.«
»Wir haben uns von ihr verabschiedet, als würde sie in Urlaub fahren«, sagte Todd. Dann drehte er sich zu Ren um und wartete darauf, dass sie sich vorstellte.
»Guten Tag«,
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